Umwelt

15.11.2019

Nachhaltig schick: Wegweiser umweltfreundliche Kleidung

Seit dem Jahr 2000 hat sich die Bekleidungsproduktion mehr als verdoppelt. Im Durchschnitt kauft jeder Deutsche 60 Kleidungsstücke pro Jahr (Greenpeace). Ein T-Shirt kostet oft nicht viel mehr als eine Tasse Kaffee. Nur etwa die Hälfte der Kleidung tragen wir regelmäßig, jedes zehnte Kleidungsstück nie oder nur einmal. Im Schnitt rangieren wir Kleider nach drei Jahren aus, viele werfen wir schon nach einer Saison weg, obwohl sie normalerweise sieben oder auch acht Jahre halten (Textil-Studie des BVSE, 2015). Wie kleiden wir uns modisch und gleichzeitig verantwortungsbewusst und worauf gilt es beim Kleiderkauf zu achten?

Nachhaltig schick: Wegweiser umweltfreundliche KleidungFoto: © Forenius / Fotolia

Das wichtigste Kriterium für eine gute Ökobilanz von Kleidung ist die Langlebigkeit. Weitere wesentliche Merkmale, auf die wir schon beim Kauf achten können, sind faire Produktionsbedingungen und umweltverträgliches Material.

Bevor die Kleidungsstücke bei uns landen, sind sie oft weit gereist. 90 Prozent der in Deutschland verkauften Textilien stammt aus dem Ausland (UBA). Baumwolle aus Indien, gefärbt in Bangladesch, genäht in der Türkei ist keine Seltenheit. Diese globale Arbeitsteilung, aber auch Industrialisierung und niedrige Rohstoffpreise, machen Kleidung immer günstiger. Aus diesem Grund ist es für die Kontrollinstanzen oft nicht leicht, die gesamte Produktions- und Lieferkette zu bilanzieren und zu überwachen.

Faserherstellung und Veredelung: Belastungen für Mensch und Umwelt

Baumwolle und Chemiefaser finden sich am häufigsten auf dem Markt. Kunstfasern nehmen inzwischen aufgrund ihrer Vielseitigkeit einen Spitzenplatz unter den verarbeiteten Rohstoffen in der Textilindustrie ein. Sie lassen sich billig und einfach produzieren. Das rasante Wachstum der Bekleidungsproduktion wäre ohne Polyester nicht möglich.

Auch Viskosefasern sind Chemiefasern aus natürlichen Polymeren, die aus dem Grundmaterial Zellulose bestehen und über das chemische Viskoseverfahren industriell weiter verarbeitet werden. Als Rohstoff dienen stark zellulosehaltige Materialien, wie Holz, Bambus, Maisstärke, aber auch Alt-Textilien. Bei der Herstellung ist der Einsatz von Natronlauge, Schwefelkohlenstoff und anderen Chemikalien notwendig.

0,8 Prozent des weltweiten Erdölverbrauchs stecken in unseren Chemiefasern. Inzwischen enthält 60 Prozent unserer Bekleidung Polyester. Die Kohlendioxid-Emissionen für Polyester sind etwa dreimal so hoch wie von Baumwolle (Sustainable Apparel Materials). Die Hersteller verwenden – besonders für den Outdoor-Bereich – giftige Stoffe wie beispielsweise per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC), die aus der schmutz- und wasserabweisenden Bekleidung ausdünsten und sich auswaschen.
Tipp: Beim Kauf von so ausgerüsteter Outdoor-Kleidung auf die Kennzeichnung „PFC-frei“ achten.

Ein weiteres Problem: Feine Fasern der Polyesterkleidung lösen sich und landen als Mikroplastik in unserer Umwelt. Fleecepullover aus recyceltem Plastik verlieren beim Waschen die meisten Fasern – ungefähr 6000 pro Waschgang. Um hier entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, Kleidungsstücke mit ähnlichen Strukturen zusammen zu waschen. Die Verwendung von speziellen Waschbeuteln schont die Bekleidung und vermindert durch die feinmaschigen Poren ein Ausschwämmen von Fasern.

Was zeichnet ökologisch produzierte Baumwolle aus?

Naturfasern wie Baumwolle, Hanf, Seide, Leinen oder Wolle scheinen vergleichsweise umweltfreundlich zu sein. Konventionelle Baumwolle wächst jedoch in semiariden Gegenden in Monokulturen. Die Baumwollpflanze braucht viel Wärme um zu reifen und dann künstliche Bewässerung, um möglichst hohe Erträge zu bringen. Das bedeutet zusätzlich einen hohen Einsatz von Herbiziden und Insektiziden. Nur etwa 2,5 Prozent der weltweiten Ackerflächen sind mit Baumwolle bepflanzt, dort werden jedoch 25 Prozent der weltweit eingesetzten Insektizide ausgebracht. Dies bedeutet eine Gefährdung nicht nur für Gewässer, Böden und Artenvielfalt, sondern auch für die Gesundheit der Arbeitskräfte.

Ökologisch zertifizierte Baumwolle braucht diesen Einsatz nicht. Beim Bioanbau, der weltweit nur etwa 1 Prozent ausmacht, sind genmanipulierte Pflanzen verboten. Die Bauern setzen auf Fruchtfolge und verzichten auf künstliche Bewässerung (UBA).

Welche Siegel für nachhaltige Kleidung gibt es und was sagen sie aus?

Umweltfreundlich und sozial hergestellte Mode ist an einer Vielzahl unterschiedlicher Gütesiegel zu erkennen. Öko-faire Kleidung ist nach wie vor ein Nischenprodukt. Es fehlt bisher in der Branche ein einheitliches Siegel. Die meisten Gütezeichen legen ihren Schwerpunkt darauf, ob Kleidung giftfrei und gesundheitsverträglich ist.

Der weit verbreitete Öko-Tex Standard 100 überprüft lediglich die Gesundheitsverträglichkeit des Endprodukts. Nicht zu verwechseln mit dem Gütezeichen Öko-Tex Made In Green, das Anforderungen an eine umweltfreundliche Produktion beinhaltet.

 

Für Baumwolle und alle Naturfasern, die ökologisch angebaut wurden, gibt es zum Beispiel das Zertifikat GOTS (Global Organic Textile Standard). Das Gütezeichen ist ein international etablierter Standard für umweltverträglich hergestellte Kleidung, die mindestens zu 70 Prozent aus kontrolliert biologisch erzeugten Naturfasern besteht. Bei der Herstellung müssen entlang der gesamten Lieferkette strenge Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. 

 

Das Gütezeichen "IVN NATURTEXTIL zertifiziert BEST" geht darüber hinaus und setzt derzeit die strengsten ökologischen und sozialen Standards. Es umfasst die gesamte Produktionskette und kennzeichnet nachhaltig hergestellte Kleidung aus Naturfasern.

 

Bluesign ® SYSTEM reduziert die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, gewährleistet den verantwortungsbewussten Einsatz von Ressourcen. Strengste Kriterien und die Überprüfung der Implementierung des Systems vor Ort motivieren Unternehmen entlang der gesamten textilen Wertschöpfungskette zur Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsleistung.

 

Fair Wear Foundation ist ein Sozialstandard, ökologische Kriterien spielen keine Rolle. Die Initiative zeichnet sich durch hohe soziale Anforderungen aus und gilt derzeit als das glaubwürdigste Sozialzeichen im Bereich Textilien.

 

Das Fairtrade-Label für Textilien gibt es seit 2016. Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen daran, ob entlang einer gesamten Lieferkette die sozialen Mindeststandards wie existenzsichernde Löhne erreicht und zusätzlich ökologische Verbesserungen bei der Produktion von Textilien angestrebt werden.

 

Der Grüne Knopf ist das neue staatliche Siegel für sozial und ökologisch nachhaltig hergestellte Textilien. Das Besondere am Grünen Knopf ist: Neben dem Produkt wird immer auch das gesamte Unternehmen überprüft. Einzelne Vorzeige-Produkte reichen nicht aus. In dieser Tiefe prüft sonst keiner. Ein Produkt, das den Grünen Knopf trägt, muss 46 hohe Sozial- und Umweltstandards erfüllen – von A wie Abwassergrenzwerte bis Z wie Zwangsarbeitsverbot. Unabhängige Prüfer wie der TÜV kontrollieren die Einhaltung der Kriterien. Die staatliche Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) stellt als „Prüferin der Prüfer“ glaubwürdige Prüfungen sicher. 

Tipp: Eine Webseite, die zeigt, was hinter den Zertifizierungen steckt ist www.ecotopten.de.

Auf dem Weg zu sozialer und ökologischer Verantwortung

Seit etwa 20 Jahren prangert die „Kampagne für Saubere Kleidung“ menschenunwürdige Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Kleidung und Sportartikeln an und motiviert Konsumenten, die Herstellung kritisch zu hinterfragen und sich für fair und umweltfreundlich hergestellte Textilien zu entscheiden. Die Bundesregierung hat im Jahr 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien initiiert. Zu den rund 120 Mitgliedern zählen vor allem Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Verbände und Unternehmen. Ziel ist es, Umwelt- und Sozialstandards in der Textilproduktion zu verbessern.

Das neue Siegel „Grüner Knopf“, eingeführt Anfang September 2019, ist ein staatliches Siegel. Siegelinhaber und Initiator ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Zum Start deckt der Grüne Knopf die Produktionsstufen „Zuschneiden und Nähen“ sowie „Bleichen und Färben“ ab. Die Herausforderungen sind hier besonders groß. Denn hier laufen alle der 100 Milliarden Kleidungsstücke weltweit durch. Hier arbeiten 75 Millionen Menschen. Und der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza erfolgte bei diesem Arbeitsschritt. In den kommenden Jahren wird der Grüne Knopf auf weitere Produktionsschritte wie den Baumwollanbau ausgeweitet.

Der Ansatz sei ein Schritt in die richtige Richtung, betonen Organisationen wie die Kampagne für Saubere Kleidung. Den Vertretern der Zivilgesellschaft im Textilbündnis, denen auch der VerbraucherService im KDFB e.V. angehört, und einigen Unternehmen im Textilbündnis geht dieser Schritt aufgrund der unvollständigen Prozess- und Marktabdeckung nicht weit genug. Auch von Seiten bereits fair produzierender Firmen gibt es kritische Stimmen. Deshalb fordern sie ein Gesetz, das menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten für alle Unternehmen der Textilbranche verbindlich regelt.

Was tun mit ausrangierter Kleidung?

Gut erhaltene Kleidung zum Beispiel an Wohlfahrtsverbände weitergeben, viele soziale Einrichtungen sammeln Altkleider. Oder an Secondhandläden weiterverkaufen, auf Flohmärkten bzw. über das Internet.
Tipp: Prüfen Sie bei Altkleidersammlungen, ob die Sammelaktion seriös ist. Orientierung gibt das Gütezeichen vom Dachverband Fairwertung.

Tipps für Ihren nächsten nachhaltigen Einkauf

  • Weniger und bewusster einkaufen sowie auf Langlebigkeit achten. Kaufen Sie nur etwas, das Ihnen länger gefällt, aus einem Material ist, das Sie gerne tragen.
  • Wählen Sie möglichst ökologisch und fair hergestellte Kleidung. Eine Übersicht bietet EcoTopTen, der Naturtextil Einkaufsratgeber oder www.gruenemode.org.
  • Gütezeichen sind wichtige Wegweiser beim Kauf.
  • Achten Sie auf die Faserzusammensetzung und die Pflegehinweise.
  • Nutzen Sie die Gebrauchsdauer aus.
  • Vermeiden Sie Fehlkäufe.
  • An Second-Hand denken, bei Kinderkleidung gibt es inzwischen auch die Möglichkeit zu mieten.
  • Billigware kritisch hinterfragen.
  • Ein höherer Preis bedeutet nicht gleich bessere Arbeitsbedingungen und höhere Qualität.

 

Weiterführende Informationen und Orientierung:

VSB-Tipp: Wie umweltfreundlich ist Online-Shopping? 

Siegelklarheit: Wofür stehen Umwelt- und Sozialsiegel? 

Über das neue Siegel „Grüner Knopf“: www.gruener-knopf.de/ 

Engagiert: Interview mit Bundesentwicklungsminister Gerd Müller

Bündnis für nachhaltige Textilien: Übersicht der Mitglieder im Bündnis für nachhaltige Textilien

Kirchain et al. (2015): Sustainable Apparel Materials 

Kirsten Brodde & Alf-Tobias Zahn: Blog „Grüne Mode“