Verbraucherrecht

22.10.2020, Verbrauchertipp

Checkliste: 24-Stunden-Betreuung ausländischer Dienstleister

Die Zahl der alten und pflegebedürftigen Menschen steigt, entsprechende Betreuungskräfte zu finden gestaltet sich in Zeiten des Pflegenotstands jedoch als immer schwieriger. Angehörige scheiden vielfach aufgrund der Entfernung zum Betreuenden oder aus anderen beruflichen oder persönlichen Gründen aus. Ambulante deutsche Pflegedienste bieten zwar eine 24-Stunden-Pflege, jedoch ist diese für die meisten Hilfesuchenden finanziell nicht erschwinglich. Ausländische, insbesondere polnische Unternehmen, bieten ihre Dienstleistung zu wesentlich günstigeren Konditionen an und genießen inzwischen eine sehr hohe Akzeptanz. Der VerbraucherService Bayern hat zahlreiche Betreuungsverträge ausgewertet und bietet Betroffenen jetzt eine Checkliste zur Anwendung.

 

Checkliste: 24-Stunden-Betreuung ausländischer DienstleisterFoto © pixabay

Ausländische Pflegedienste entsenden Betreuungskräfte, welche im Haushalt der zu betreuenden Person untergebracht und versorgt werden oder sich selber versorgen. Die Betreuungskräfte sind in ihrem Heimatland bei dem Entsendeunternehmen sozialversicherungspflichtig und steuerpflichtig angestellt. Der Betreuungsvertrag kommt zwischen dem Betreuten und dem Entsendeunternehmen, nicht zwischen dem Betreuten und der Pflegekraft zustande. Vermittlerfirmen in Deutschland stellen den Kontakt zu den ausländischen Entsendeunternehmen her. Häufig werden zwei Verträge abgeschlossen: Ein Vermittlervertrag mit einer meist in Deutschland gemeldeten Vermittleragentur und ein Dienstleistungs- oder Betreuungsvertrag mit einer ausländischen Agentur.

Der VerbraucherService Bayern empfiehlt bei Abschluss von 24-Stunden-Verträgen, diese anhand der folgenden 14 Punkte auf Vollständigkeit und Transparenz zu überprüfen:

1. Leistungsbeschreibung

Achten Sie auf eine detaillierte Beschreibung der Leistungen im Betreuungsvertrag. In der Regel bilden nachfolgende Bausteine das Grundgerüst der Betreuung:

  • Hauswirtschaftliche Versorgung. Dazu gehören Einkauf, Essenszubereitung, Unterstützung bei der Nahrungs- und Getränkeaufnahme, Hausreinigung und Wäschepflege.
  • Körperpflege wie Waschen, Baden, Haar- und Hautpflege.
  • Hilfe beim Toilettengang und oder Inkontinenzversorgung.
  • An- und Auskleiden, Hilfe beim Gehen, Stehen, Aufstehen und Betten.
  • Medikamenteneinnahme überwachen.
  • Aktivierung (Beschäftigung und Unterhaltung).
  • Begleitung außer Haus zu Arztbesuchen, Einkäufen oder Ausflügen.
  • Die Deutschkenntnisse der Betreuerinnen sind sehr unterschiedlich. Vereinbaren Sie vertraglich ein definiertes Sprachniveau.

Wichtig: Im Leistungsspektrum des Betreuungsvertrages ist keine Behandlungspflege vorgesehen!

2. Kostenaufschlüsselung

In der Regel wird ein fester Monats- oder Tagessatz für Betreuungsleistung schriftlich vereinbart. Je besser das Sprachniveau der Betreuerin einzustufen ist, desto höher ist der Preis.

Achten Sie darauf, ob sich das Entsendeunternehmen das Recht zur einseitigen Preiserhöhung während der Vertragslaufzeit vorbehält. Möglich ist dies, wenn sich beispielsweise die Betreuungsleistung erhöht.

Lassen Sie sich zusichern, dass der jeweils gültige gesetzliche Mindestlohn eingehalten wird. Im Jahr 2020 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 9,35 Euro.

3. Zusätze Kostenbestandteile

Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung der ausländischen Betreuungskraft trägt der Betreute. Ein separates, eingerichtetes und abschließbares Zimmer zur persönlichen Nutzung sowie Zugang zu Bad und Küche werden vorausgesetzt.

Die kostenlose Nutzung von Telefon und Internet ist zu ermöglichen, damit der Kontakt ins Heimatland jederzeit möglich ist.

Die Kosten für die Heimfahrt der Betreuungskraft, alle sechs bis zwölf Wochen, sind ebenfalls vom Betreuten zu tragen. Im Falle der Krankheit des Verbrauchers (Krankenhausaufenthalt) oder der Betreuungskraft können zusätzlich Fahrtkosten geltend gemacht werden. Mit Kosten zwischen 150 und 200 Euro ist pro Heimfahrt durchschnittlich zu rechnen.

4. Widerrufsrecht

Für die Betreuungsverträge besteht ein 14 tägiges Widerrufsrecht, wenn Sie den Vertrag als Außer Geschäftsraumvertrag (die Vermittleragentur kommt zu Ihnen und Sie unterschreiben Zuhause den Betreuungsvertrag) oder als Fernabsatzvertrag (telefonisch, online oder per Mail) abgeschlossen haben. In diesen Fällen besteht eine Bedenkzeit und Sie haben die Möglichkeit, den Vertrag innerhalb von 14 Tagen zu widerrufen.

Wurden Sie nicht über das Widerrufsrecht informiert und ordnungsgemäß belehrt, verlängert sich das Recht zum Widerruf um ein Jahr und 14 Tage.

5. Vertragsdauer

Die Laufzeit des Betreuungsvertrages beträgt meist zwölf Monate, in der Regel kann der Vertrag nochmals um zwölf Monate verlängert werden.

6. Kündigung durch den Verbraucher

In bestimmten Situationen ist eine vorzeitige Vertragskündigung notwendig. Eine 14-tägige Kündigungsfrist ist als üblich anzusehen. Besser wäre es, wenn die Frist nur sieben Tage beträgt und die Kündigung ohne Begründung möglich ist. Wenn keine individuelle Kündigungsfrist vertraglich vereinbart ist, gilt die gesetzliche Kündigungsfrist, das heißt eine Monatsfrist bei monatlicher Zahlweise. Eine tägliche Kündigungsfrist besteht möglicherweise bei Vereinbarung eines Tagessatzes.

Wichtig: Neben dem Betreuungsvertrag mit dem Entsendeunternehmen ist auch der Vermittlungsvertrag mit dem deutschen Vermittlungsunternehmen zu kündigen!

7. Kündigung durch den Anbieter

Hier ist eine möglichst lange Kündigungsfrist von Vorteil, damit sich die Betroffenen neu orientieren und die Betreuung neu organisieren können. Üblich sind bei Betreuungsverträgen Kündigungsfristen von 14 Tagen. Gibt es keine Regelung, gilt die gesetzliche Kündigungsfrist, die sich nach dem Zeitabschnitt der Vergütung berechnet und somit bei monatlicher Zahlweise eine monatliche Kündigungsfrist vorsieht.

8. Pausieren des Vertrages

Ein Ruhen des Vertrages bei Urlaub oder Krankheit der Betreuungskraft ist von dem Betreuten hinzunehmen. Es empfiehlt sich, die Versorgungslücke jedoch so kurz wie möglich zu halten und sie vertraglich festzulegen. Besteht ein vertraglicher Anspruch auf Dienstübernahme durch eine Ersatzkraft und wie schnell ist diese einsatzbereit? Innerhalb von drei Tagen sollte die Versorgung wieder geregelt sein.

In Phasen eines kurzfristigen Krankenhaus- oder Kuraufenthaltes des Verbrauchers oder während einer familiären Betreuung bieten sich ebenfalls klare Absprachen zur Vertragspause an.

Wichtig: Halten Sie in jedem Fall vertraglich fest, ab welchem Zeitpunkt und wie oft der Vertrag ruhend gestellt werden kann.

9. Vertragsende im Todesfall

Rein rechtlich endet der Vertrag mit dem Tod des Verbrauchers. Eine kurze Frist zur Organisation der Rückreise ist hinnehmbar, es sollten aber keine weiteren Kosten anfallen.

Eine gängige Regelung in Betreuungsverträgen lautet: Der Vertrag endet sieben Tage nach dem Tod des Verbrauchers.

10. Arbeitszeit

In den Betreuungsvertrag gehören klare Regelungen zur wöchentlichen Arbeitszeit. Für die entsendeten Arbeitskräfte gilt das deutsche Arbeitszeitgesetz. Eine 40 Stunden-Woche und ein freier Tag sind üblich. Ein tatsächlicher 24 Stunden Einsatz als Betreuungskraft ist arbeitsrechtlich nicht möglich. Hier herrschen oft falsche Vorstellungen.

11. Haftung

Das Entsendeunternehmen sollte bei fahrlässigem Handeln bei Ausübung der vereinbarten Tätigkeit als Betreuerin haften. Der Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung ist sinnvoll.

Fährt die Betreuungskraft mit dem KFZ des Verbrauchers, sollte dies der KFZ-Versicherung als Fahrzeugüberlassung gemeldet werden, damit Versicherungsschutz besteht.

12. Verpflichtung zur Vorlage der A1-Bescheinigung

Lassen Sie sich die A1 Bescheinigung als Nachweis zur Sozialversicherung im Heimatland unbedingt im Original zeigen und fügen Sie diese als Kopie zum Vertrag. Das ist Ihre einzige Möglichkeit zur Überprüfung der Rechtsmäßigkeit des Arbeitsverhältnisses. Wenn die entsendete Betreuungskraft im Heimatland nicht ordnungsgemäß angemeldet und sozialversichert ist, kann dies für Sie teure Folgen haben. Sie gelten dann als Arbeitgeber und müssen die Versicherungsbeiträge in Deutschland nachzahlen.

13. Rechtsstatus des Vertrages

Es empfiehlt sich, die Verträge nach deutschem Recht zu schließen mit der Gerichtsstandvereinbarung eines Gerichtsortes am Ort der Leistung in Deutschland.

14. Kontakt mit dem Entsendeunternehmen

Bei Krankheit der Betreuerin oder akuten Problemsituationen sollten Sie eine gültige Beschwerdetelefonnummer vom Entsendeunternehmen haben. Hilfreich ist, wenn ein rund um die Uhr Service eingerichtet ist.

TIPP:

Holen Sie Vergleichsangebote von zumindest drei Anbietern ein, um eine Gegenüberstellung von Leistung und Kosten als Entscheidungsgrundlage zu besitzen und bewerten Sie die Angebote mit der VSB-Checkliste.