Ernährung
21.09.2017, Darmgesundheit
Aktiviert Joghurt Abwehrkräfte?
Im Herbst ist die Erkältungswelle wieder auf dem Vormarsch. Doch muss das sein? Können spezielle Bakterienkulturen unser Immunsystem stärken und das Erkrankungsrisiko senken?

Das Thema Darmgesundheit und der Einfluss auf die Abwehrkräfte sind nicht erst seit der Veröffentlichung des Buches „Darm mit Charme“ von Giulia Enders in der Öffentlichkeit weit verbreitet. Auch Joghurthersteller warben viele Jahre mit dem gesundheitsfördernden Einfluss ihrer Bakterienkulturen, den sogenannten Probiotika.
Was sind Probiotika?
Probiotische Kulturen wurden aus Sauermilchprodukten isoliert und vermehrt. Es handelt sich folglich um natürlich im menschlichen Darm vorkommende Bakterien. Diese speziellen Bakterienstämme überstehen nach dem Verzehr die Passage durch das Magensäurebad relativ gut und können sich vor allem im Dickdarm ansiedeln. Zusätzlich halten sie ungebetene, krankmachende Bakterien davon ab, sich ebenfalls in der Darmwand einzunisten. Andere Bakterienstämme die in der Milchsäuregärung verwendet werden, werden von der Magensäure stärker dezimiert und erreichen nur in geringer Zahl den Dickdarm.
Wirksam nach Antibiotikaeinsatz
Die härteste Prüfung für unser Darmmikrobiom (früher Darmflora genannt) ist der Überlebenskampf bei der Einnahme von Antibiotika. Wie der Name schon sagt, wirken Antibiotika gegen Bakterien – und zwar nicht gesondert gegen die krankmachenden, sondern gegen alle Bakterien denen sie auf dem Weg durch unseren Körper begegnen. Unser Darmmikrobiom bricht unter diesem Angriff zusammen und muss sich nach der Therapie wieder regenerieren. Hierbei können Probiotika einen wichtigen Beitrag leisten. Probiotische Produkte müssen hierfür aber regelmäßig über einen Zeitraum von einigen Wochen konsumiert werden.
In welchen Produkten stecken Probiotika?
Probiotika findet man in sauer fermentierten Produkten. Vor allem Joghurts und Joghurtdrinks werden diese Bakterien gerne zugesetzt. Vereinzelt kann man auch Kefir oder Quark mit diesen speziellen Bakterienkulturen finden. Auch selbst hergestelltes Sauerkraut diente lange als gute Probiotikaquelle, wenn man es kalt gegessen hat. Sauerkraut aus dem Supermarkt wird nach der Fermentierung jedoch meistens noch einmal erhitzt, um krankheitserregende Bakterien abzutöten. Probiotika, die genauso hitzeempfindlich sind, werden durch diese Behandlung allerdings auch getötet.
Der VerbraucherService Bayern empfiehlt Naturprodukte
Es müssen nicht teurere Spezialprodukte sein um die Abwehrkräfte zu steigern. Normale Naturjoghurts und Sauermilchprodukte wie Kefir oder Quark stärken ebenfalls das Immunsystem auch wenn nicht so viele Bakterien die Magenpassage überleben wie bei den probiotischen Bakterienkulturen. Die Ansiedelung krankmachender Bakterien wird damit effektiv verhindert. Probiotische Lebensmittel können vor allem nach Antibiotikatherapien helfen ein starkes Immunsystem wieder aufzubauen. Eine abwechslungsreiche, ballaststoffreiche Ernährung mit möglichst wenigen stark verarbeiteten Lebensmitteln sorgt dabei weiterhin für ein gutes Klima im Bauch. Zucker fördert, wie auch bei den kariesverursachenden Bakterien im Mund, die Vermehrung von ungünstigen Bakterienkulturen im Darm und kann somit unserer Gesundheit schaden.
Keine Werbung mit Probiotika
Seit Dezember 2012 dürfen Lebensmittelproduzenten nicht mehr mit einer möglichen Steigerung der Abwehrkräfte werben. Die Studienlage belegt, so die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFAS), hier nicht ausreichend, dass die Immunfunktion eines Menschen durch den Verzehr von Probiotika verbessert wird. Die Bakterienstämme können jetzt nur noch im Zutatenverzeichnis der Joghurtprodukte gefunden werden. Die am häufigsten verwendeten Bakterienstämme sind Lactobacillus rhamnosus, Lactobacillus acidophilus und Lactobacillus casei Shirota.
Eine gesunde Darmmikrobiota kann das Erkältungsrisiko minimieren
Eine gesunde Darmflora kann das Erkältungsrisiko vermindern. Erkältungen mit den Symptomen Schnupfen und/oder Husten sind meist virale Infektionen der Nasenschleimhäute und der Bronchien. Ist die Nasenschleimhaut zum Beispiel kalter und trockener Luft ausgesetzt, kann das die Beweglichkeit der Flimmerhärchen beeinflussen. Krankheitserreger können durch das Nasensekret nicht optimal abtransportiert werden, wodurch das Risiko einer Infektion steigt.
Ob ein Erkältungsvirus aber Erfolg hat, nachdem er sich an der Nasenschleimhaut festgesetzt hat, hängt von der Stärke des gesamten Immunsystems ab. Dieses wird nicht nur durch Faktoren wie Stress, Schlafdefizit, Zigarettenrauch, Medikamente oder ungesunde Ernährung beeinflusst, sondern auch durch die Darmbakterien.
Der Darm – unser größtes Immunorgan
Das menschliche Immunsystem ist sehr komplex und umfasst viele Organe, Botenstoffen, Abwehr- und Fresszellen. Dem Darm kommt hier eine besonders wichtige Aufgabe zu. Der Verdauungstrakt bietet eine riesige Kontaktfläche mit der Umwelt. Alles was wir zu uns nehmen muss deshalb genau auf schädliche Inhaltsstoffe geprüft werden. Daher ist es nicht überraschend, dass 80% des Immunsystems im Darm liegen.
Das Geheimnis des Darmmilieus
Die Darmgesundheit ist einer der entscheidenden Faktoren für ein gesundes und gut funktionierendes Immunsystem. Ein gesundes Darmmikrobiom ist vor allem in den ersten drei Jahren eines Babys essentiell. Die Darmbakterien „trainieren“ hier das Immunsystem im Umgang mit allen Stoffen, mit denen das Kind in Kontakt kommt. Ein ungünstiges Darmmilieu kann dem Immunsystem nicht fehlerfrei den Unterschied zwischen harmlosen und schädlichen Umweltfaktoren beibringen. Dies erhöht das Risiko für Kinder Allergien, Asthma oder Autoimmunerkrankungen zu entwickeln.
„Gute“ Darmbakterien bilden eine hervorragende Schutzschicht gegen schädliche Einflussfaktoren von außen. Bakterien, Viren oder Schimmelsporen die durch die Nahrung in den Darm gelangen, werden effektiv abgewehrt und daran gehindert in den Körper einzudringen, ungefährliche Stoffe werden hingegen toleriert und lösen keine Immunreaktion aus.