Ernährung
27.09.2024
Wie der Klimawandel die Lebensmittelpreise beeinflusst
Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Unwetter und Überschwemmungen führen zu Ernteausfällen, was wiederum die Preise für Lebensmittel in die Höhe treibt. Dieses Phänomen nennt sich „Climateflation“. Experten rechnen damit, dass diese Problematik angesichts der weltweit steigenden Durchschnittstemperaturen in den kommenden Jahren zunehmen wird. Unsicherheiten und Schwankungen infolge von Extremwetterereignissen werden das „neue Normal“. Die Landwirtschaft steht vor der Aufgabe, sich an diese neuen Herausforderungen anzupassen, um künftige Ernten zu sichern.
Preisanstiege sind jetzt schon bemerkbar: Olivenöl, Orangensaft, Kaffee
Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung könnte die jährliche Inflation von Lebensmitteln bis 2035 um bis zu 3,2 Prozentpunkte pro Jahr steigen. Verbraucher*innen bemerken diese Entwicklung bereits im Supermarkt: Olivenöl kostet aktuell fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr (Statistisches Bundesamt). Grund sind Ernteausfälle in Spanien und Italien infolge von Dürren. Laut der Internationalen Oliven-Vereinigung ist die weltweite Olivenölproduktion von 3,42 Millionen Tonnen im Erntejahr 2021/2022 auf 2,57 Millionen Tonnen in der Folgesaison gesunken.
Aktuelle Prognosen aus Brasilien, der weltweit größte Orangensaft-Produzent, deuten darauf hin, dass es für die aktuelle Orangensaison 2024/2025 erhebliche Ernteeinbußen von etwa 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr geben wird. Insgesamt sind die Ernten seit 2020 rückläufig. Grund sind durch das Wetterphänomen El Niño hohe Temperaturen, Wassermangel sowie eine Krankheit, die zum Absterben der Bäume führt. Die weltweite Nachfrage nach Orangensaft ist unverändert hoch. Das führt wiederum zu einem starken Anstieg der Rohstoffpreise – aktuell sind es 150 Prozent Aufpreis im Vergleich zu 2022. Eine Entspannung der Situation ist nicht zu erwarten. Orangensaft bleibt für Endverbraucher*innen teuer und wird sich voraussichtlich auch weiter verteuern.
Auch der Kaffeepreis steigt. Kaffeepflanzen benötigen ein stabiles tropisches Klima und wachsen deshalb nur in einem bestimmten Teil der Erde, dem sogenannten Kaffeegürtel. Bis 2050 droht der Klimawandel sowie Schädlinge und Pilzkrankheiten, die sich durch die klimatischen Veränderungen weiter ausbreiten, die Hälfte dieser Region für den Anbau unbrauchbar zu machen.
Weitere betroffene Produkte sind beispielsweise Zucker, Reis oder Kakao.
Zusätzlich tragen auch teure Versicherungen, die vor Risiken durch den Klimawandel schützen sollen, sowie gestiegene Preise für fossile Energie und der Übergang zu erneuerbaren Energien zu Preissteigerungen bei.
Auswirkungen in der deutschen Landwirtschaft
Die Häufigkeit und Intensität von extremen Wetterereignissen nehmen nicht nur im globalen Süden zu, auch in Deutschland sind bereits direkte Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft spürbar. 2022 führte der extreme Hitzesommer in Europa beispielsweise zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise um 0,6 Prozentpunkte.
Insbesondere betroffen ist der Weinbau: Der durch den Klimawandel verursachte Temperaturanstieg verlagert die Vegetationsperioden der empfindlichen Weinreben, sodass die Trauben früher reif werden. Damit steigt die Gefahr einer Schädigung durch Spätfröste. Dieses Problem lässt sich auch bei Obstbäumen beobachten. Lang andauernde Hitzeperioden setzen den Pflanzen ebenfalls zu. Schutzmaßnahmen wie künstliche Bewässerung und Frostschutz sind kostspielig. Als Konsequenz steigt der Preis. In den letzten vier Jahren hat sich der Preis für deutsche Weine durchschnittlich um 17 Prozent erhöht. Mittelfristig verschiebt sich das Sortenspektrum im Weinbau: In Deutschland werden voraussichtlich vermehrt Rotweine wie „Merlot“ oder „Pinot“ angebaut, während sich die Produktion von Riesling Richtung Norden verlagert.
Auch der traditionelle Hopfenanbau in der Donauregion, der reichlich Niederschlag im Sommer verlangt wie auch der Gemüseanbau leiden unter dem Klimawandel.
Starkregen und Überschwemmungen in Süddeutschland vernichteten im Juni dieses Jahres die Ernte vieler Höfe. Besonders betroffen waren Schwaben und Teile von Ober- und Niederbayern. Das gesamte Ausmaß der Schäden und der Ernteausfälle bei Getreide, Rüben, Kartoffeln, aber auch Feldgemüse und Beeren ist noch nicht zu beziffern. Laut Getreidemarktexperten wirkt sich der Ausfall – zumindest beim Getreide – jedoch nicht auf die Getreide- bzw. Mehlpreise aus.
Klimaexperten gehen davon aus, dass Starkregen auch in Zukunft häufiger auftreten wird. Das ist besonders nach längerer Trockenheit problematisch. Stark ausgetrocknete Böden können große Niederschlagsmengen in kurzer Zeit nicht aufnehmen. Ein Großteil des Wassers fließt daher oberflächlich ab und geht verloren. Für eine ausreichende Wasserversorgung ist regelmäßiger, schwächerer Niederschlag günstiger.
Die Auswirkungen von Starkregen sind von der Vegetationsphase der Pflanzen abhängig. Reifes Getreide wird zum Beispiel auf den Boden gedrückt, was Ertrags- und Qualitätsverluste zur Folge hat. Starkregen im Frühjahr kann die Bodenstruktur beschädigen, sodass weniger Wasser aufgenommen wird und sich Staunässe bildet. Die Pflanzen verfaulen und können absterben. Landwirt*innen haben wenig Möglichkeiten, sich gegen die negativen Folgen von Starkregen zu schützen.
Anpassungen der Landwirtschaft an die Folgen des Klimawandels
Um in Zukunft Ernteausfälle durch Extremwetter besser zu vermeiden, müssen die landwirtschaftlichen Produktionssysteme angepasst werden.
Einige Prozesse sind bereits im Gang:
- Züchtung klimaangepasster Sorten
- Risikostreuung durch eine vielfältige Fruchtfolge
- Neue Kulturen, die hierzulande bislang noch keine oder wenig Bedeutung haben, zum Beispiel trockentolerante Hirse statt Mais
- Agroforst: Kombination von landwirtschaftlichen Kulturen und Bäumen und Sträuchern auf einer Fläche
- Verbesserung der Böden durch Zwischenfruchtanbau, Fruchtfolge und Einbringen von Gülle, Mist oder Kompost
- Einsatz einer intelligenten Bewässerungstechnik
Zur Unterstützung der Umsetzung der Maßnahmen ist die Förderung durch Politik und Gesellschaft notwendig. Daneben muss die Begrenzung der Erderwärmung weiterhin ein primäres Ziel bleiben.
Ernteausfall in armen Ländern hat dramatische Folgen
Während die Preisanstiege einzelner Lebensmittel unsere Ernährungssicherheit nicht beeinflussen und gut kompensiert werden können, sieht es in ärmeren Ländern anders aus. Ernteausfälle bedrohen dort zum Teil die Existenz der Menschen. Hungersnötet sind die Folge.
Langfristig ist ein umfassender, globaler Ansatz zur Bekämpfung des Klimawandels gefragt.
Was jeder einzelne von uns dazu beitragen kann, lesen Sie in unseren Umwelt-Thema „Gemeinsam fürs Klima“:
https://www.verbraucherservice-bayern.de/themen/umwelt/gemeinsam-fuers-klima
Quellen:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/hochwasser-ernte-vernichtet-100.html
https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/pflanzenbau/ackerbau/ernte-2023.html
https://www.fruchtsaft.de/presse/meldungen/orangensaft-krise-verschaerft-sicht