Ernährung
20.12.2024
Zuckeraustauschstoffe: Kaloriensparen auf Kosten der Gesundheit?
Zuckeraustauschstoffe wie Birkenzucker und Erythrit finden sich in vielen Supermärkten. Sie werden wie Zucker verwendet, enthalten aber weniger oder fast keine Kalorien. Süßen ohne Reue – gibt es das oder lauern hier gesundheitliche Gefahren?
Weniger Kalorien: Birkenzucker (Xylit)
Bei Birkenzucker handelt es sich um den Zuckeralkohol Xylit. Er wurde schon vor über 100 Jahren ursprünglich aus finnischer Birkenrinde gewonnen. In einem technologisch sehr aufwändigen Prozess wird heute aus Laubbäumen oder anderen Pflanzenfasern wie Stroh oder zunehmend aus Maiskolbenresten der Holzzucker Xylose gewonnen, der zu Xylit weiterverarbeitet wird. Xylit ist auch natürlicher Bestandteil von vielen Gemüse- und Obstsorten.
Xylit sieht dem Haushaltszucker sehr ähnlich und hat auch nahezu die gleiche Süßkraft, aber nur etwa 60 Prozent der Kalorien. Xylit hemmt außerdem das Wachstum von Kariesbakterien, so dass es seit langem in zuckerfreien und zahnfreundlichen Kaugummis und Bonbons sowie in Zahncreme enthalten ist.
Verbraucher*innen finden Xylit unter den Bezeichnungen „Birkengold“ oder „Xucker“ ab einem Preis von rund zehn Euro pro Kilogramm im Supermarkt.
Erythrit – wie Zucker aber ohne Kalorien?
Erythrit ist ebenfalls ein Zuckeralkohol, der als Süßungsmittel verwendet wird. Er sieht ähnlich aus wie Haushaltszucker, besitzt 60 bis 80 Prozent seiner Süßkraft, liefert aber fast keine Kalorien, da er vom Menschen nicht abgebaut wird. So hat er auch keinen Einfluss auf Blutzuckerspiegel und Insulinausschüttung. Andere Vertreter aus dieser chemischen Gruppe wie oben beschriebener Xylit oder Sorbit enthalten dagegen 240 kcal pro 100 Gramm, normaler Zucker fast 400 kcal pro 100 Gramm.
Auch hier ist die Herstellung aufwändig: Zunächst wird Stärke (z.B. aus Mais) enzymatisch zu Glukosemolekülen zerlegt, woraus mit Hilfe bestimmter Pilzkulturen unter anderem Erythrit produziert wird. Bei diesem Verfahren sind Verunreinigungen mit Blei möglich, so dass die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hier eine Senkung des Grenzwertes für Blei empfiehlt.
Für Bio-Erythrit verwenden die Hersteller als Ausgangssubstanz Bio-Mais. Außerdem ist nach der EU-Bio-Verordnung die Verwendung von gentechnisch veränderten Pilzen in der Herstellung verboten. Dementsprechend liegen die Preise für das weiße Erythrit-Pulver in Bio-Qualität bei rund 20 Euro pro Kilogramm, im konventionellen Bereich bei acht bis zehn Euro pro Kilogramm.
Kennzeichnung
Da Zuckeralkohole zu den Süßungsmittel gehören und somit zu den Zusatzstoffen zählen, müssen diese entsprechend in der Zutatenliste angegeben werden: Klassenname („Süßungsmittel“) + „Xylit“/„Xylitol“ oder seine E-Nummer E 967 bzw. für Erythrit E 968.
Geschmacks- und Erfahrungssache: Backen mit Xylit und Erythrit
Xylit eignet sich zum Backen. Allerdings bräunt Xylit-gesüßtes Gebäck weniger und erzeugt auf der Zunge einen „Kühleffekt“ – ähnlich wie bei Menthol. Die Kalorieneinsparung beträgt im Vergleich zum Haushaltszucker lediglich 40 Prozent und bei einer Mischung von Xylit mit normalem Zucker aus geschmacklichen Gründen entsprechend noch weniger.
Erythrit ist ebenfalls zum Backen geeignet, erfordert aber etwas Fingerspitzengefühl bei Rührteigen. Unter Umständen ist ein Zerkleinern der Erythrit-Kristalle im Vorfeld empfehlenswert. Das Gebäck bräunt schneller, deshalb sollte die Backtemperatur etwas gesenkt werden. Auch bröselt das Gebäck am Ende mehr bei weniger Bindung. Teilweise wird ein leichter „frischer“ Geschmack in Erythrit-gesüßtem Gebäck beschrieben.
Nebenwirkungen und gesundheitliche Bedenken
Schon lange ist bekannt, dass Xylit bei übermäßigem Verzehr wie andere Zuckeralkohole auch (Sorbit, Mannit, Isomalt, Maltit) blähend und abführend wirkt. Nebenwirkungen wie Blähungen und Durchfall treten immer dann auf, wenn durch die langsame Resorption eine gewisse Menge der Zuckeraustauschstoffe bis in den Dickdarm gelangt und dort von den Darmbakterien unter anderem zu Gasen abgebaut wird. Durch schrittweises Gewöhnen ist eine Steigerung der verträglichen Menge möglich. Erythrit gilt zwar als verträglicher, doch auch hier muss bei Verzehrmengen von mehr als 0,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht mit Verdauungsstörungen gerechnet werden.
Egal ob Xylit, Erythrit oder andere Zuckeraustauschstoffe – bei deren Verwendung ist der Warnhinweis verpflichtend: „kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“, sobald der Anteil bei mehr als zehn Prozent im Lebensmittel liegt.
Aktuelle Bedenken aus der Wissenschaft
Aufschrecken ließ eine im Sommer 2024 in den USA veröffentlichte Studie zu Xylit, an deren Entstehen federführend ein Kardiologe vom Deutschen Herzzentrum der Charité beteiligt war. Untersucht wurde, ob der Konsum von Xylit das Risiko für schwerwiegende Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfälle erhöht. In Laborversuchen wie auch bei Tests mit gesunden Studienteilnehmern zeigte sich, dass Xylit die Reaktivität von Blutplättchen erhöht, was die Bildung von Blutgerinnseln fördern und somit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigern kann. „Besonders bei Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken könnte der Konsum von Xylit zusätzliche Gesundheitsgefahren bergen“, so Dr. med. Marco Witkowski, Erstautor der Studie.
Was Erythrit angeht, wies bereits 2023 die Forschungsgruppe um Dr. Witkowski eine beschleunigte Bildung von Blutgerinnseln in vitro, also im Labor, nach. Ergänzend wurde bei einer kleinen Gruppe von gesunden Studienteilnehmern noch nach zwei Tagen erhöhte Erythritwerte im Blut festgestellt - nach Erythritverzehr über Getränke in realistischer Menge.
Ob jedoch Erythrit und Xylit tatsächlich das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen erhöhen, kann nach derzeitiger Studienlage nicht schlussendlich gefolgert werden. So lässt sich nur ein Zusammenhang zwischen hohen Mengen und kardiovaskulären Ereignissen beobachten, was jedoch noch nicht bedeutet, dass die Zuckeralkohole diese Ereignisse verursachen. Dennoch ist die Sicherheit dieser Zuckeraustauschstoffe gerade für vorerkrankte Personen mit bestehendem Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen in Frage gestellt. Hier müssen den Wissenschaftler*innen zufolge weitere Studien durchgeführt werden.
Tipps für Verbraucher*innen
- Zuckeraustauschstoffe wie Erythrit und Xylit nur mäßig verwenden.
- Rüben-/Rohrzucker oder andere Süßungsmittel stets sparsam einsetzen – vor allem als Diabetiker*in.
- Natürliche Süßungsmittel wie Honig, Dicksäfte oder Kokosblütenzucker geben Gebäck und Desserts ein besonderes Aroma. Gleichzeitig sorgt ihr Eigengeschmack automatisch für dezentes Süßen.
Quellen:
Neubewertung von Erythrit (E 968) als Lebensmittelzusatzstoff | EFSA
Der künstliche Süßstoff Erythrit und das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse - PubMed
Thromboserisiko durch Zuckerersatzstoff Erythrit? | Herzstiftung