Finanzen
10.02.2025
Greenwashing bei Finanzprodukten
Zahlreiche Unternehmen und Finanzprodukte erscheinen auf den ersten Blick als „grün“ oder „nachhaltig“, obwohl sie in Wirklichkeit nicht den versprochenen Umwelt- und Sozialstandards entsprechen. Die Europäische Union und weitere Gesetzgeber haben deshalb Regeln eingeführt, um irreführende Praktiken einzuschränken. Trotzdem ist es für Verbraucher*innen oft schwer, Greenwashing zu erkennen. Erfahren Sie, was hinter dem Begriff steckt, welche rechtlichen Vorgaben es gibt und welche Maßnahmen vor Irreführung schützen.

Was ist Greenwashing?
Greenwashing bedeutet, dass Unternehmen oder Institutionen behaupten, besonders umweltfreundlich oder nachhaltig zu sein, während ihre tatsächlichen Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft viel geringer ausfallen oder sogar negativ sind. Im Finanzbereich bezieht sich das zum Beispiel auf Fonds, Anlageprodukte, Banken oder Versicherungen, die ein „grünes“ Image propagieren, ohne die nötigen Kriterien tatsächlich zu erfüllen.
Typische Formen des Greenwashings
- Irreführende Labels oder Siegel: Produkte werden mit Begriffen wie „Öko“, „Green“ oder „Nachhaltig“ vermarktet, obwohl keine objektiven und überprüfbaren Standards dahinterstehen.
- Selektive Transparenz: Firmen heben kleinere grüne Aktivitäten hervor, verschweigen aber große umweltschädliche Geschäftspraktiken.
- Täuschende Werbebotschaften: Allgemeine Aussagen über Umweltbewusstsein werden gemacht, ohne konkrete Daten oder Nachweise zu liefern.
- Intransparente Investmentprozesse: Anbieter erwähnen ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) nur oberflächlich, ohne sie wirklich in ihre Anlageentscheidungen einzubinden.
Bedeutung von Greenwashing im Finanzbereich
Unternehmen stehen zunehmend unter Druck, verantwortungsbewusstes Handeln und umweltfreundliche Produkte anzubieten. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen. Laut der Global Sustainable Investment Alliance (GSIA) belief sich das Volumen nachhaltiger Investments im Jahr 2020 weltweit auf rund 35,3 Billionen US-Dollar – ein deutlicher Anstieg in den letzten Jahren. In Europa stieg das nachhaltige Anlagevermögen zwischen 2016 und 2020 um über 50 Prozent. Mit dieser Nachfrage nimmt allerdings auch der Anreiz zu, Produkte als nachhaltig zu kennzeichnen, obwohl sie es gar nicht sind.
Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung
- Verbrauchernachfrage: Immer mehr Anleger möchten in Produkte investieren, die Umwelt und Gesellschaft etwas Gutes tun.
- Gesellschaftlicher Druck: Durch den Klimawandel fordern staatliche und nicht-staatliche Akteure den Übergang zu einer klimafreundlicheren Wirtschaft.
- Gesetzliche Vorschriften: Es gibt immer mehr Regeln zu Transparenz und Nachhaltigkeitskriterien.
- Image- und Reputationsrisiken: Unternehmen fürchten Imageverluste und versuchen daher, sich mithilfe von Greenwashing in einem besseren Licht zu präsentieren.
Gesetzliche Vorgaben gegen Greenwashing
Um Greenwashing zu bekämpfen, haben die EU und nationale Gesetzgeber verschiedene Standards festgelegt.
1. EU-Taxonomie-Verordnung
Die EU-Taxonomie definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als „ökologisch nachhaltig“ gelten. Dadurch können Anleger erkennen, ob ein Projekt wirklich etwas zum Klimaschutz und anderen Umweltzielen beiträgt.
- Klimaziele: Die EU-Taxonomie konzentriert sich zunächst auf Klimaschutz und Klimaanpassung, soll aber später weitere Umwelt- und Sozialziele einschließen.
- Do-No-Significant-Harm-Prinzip: Aktivitäten gelten nur als nachhaltig, wenn sie nicht in anderen Bereichen erheblichen Schaden verursachen.
- Transparenzvorschriften: Finanzmarktteilnehmer müssen offengelegen, wie sie Nachhaltigkeitsrisiken und -auswirkungen in ihren Entscheidungen einbeziehen.
2. Offenlegungs-Verordnung (SFDR)
Die SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) verlangt, dass Finanzmarktteilnehmer Nachhaltigkeitsaspekte (ESG-Faktoren) in ihre Prozesse integrieren, damit Anleger diese Faktoren in ihre Investitionsentscheidungen einbeziehen können.
- Transparenzpflichten: Anbieter müssen erklären, nach welchen ESG-Kriterien sie investieren und wie sie negative Auswirkungen (z. B. CO₂-Emissionen) vermeiden.
- Unternehmensbezogene Offenlegungspflichten: Banken, Vermögensverwalter und Co. informieren über Nachhaltigkeitsrisiken und Taxonomie-Konformität ihrer Produkte.
- Produktbezogene Offenlegungspflichten: Produkte werden in „hellgrün“ (Art.-8-Fonds) und „dunkelgrün“ (Art.-9-Fonds) unterteilt, je nachdem, wie stark sie auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind.
3. Referenzwerte-Verordnung
Neue Benchmarks („Referenzwerte“) sollen es erlauben, CO₂-arme Anlagen zu identifizieren und zu vergleichen.
- Benchmark-Kategorien: Die EU-Climate-Transition Benchmarks und EU-Paris-aligned Benchmarks unterliegen bestimmten Mindestanforderungen zur CO₂-Reduktion.
4. Regelung für den Vertrieb nachhaltiger Finanz- und Versicherungsanlageprodukte
- MiFID II: Wertpapierberater müssen seit 2022 die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kund*innen erfragen und in der Beratung berücksichtigen.
- IDD (Insurance Distribution Directive): Versicherungsvermittler müssen die Nachhaltigkeitswünsche ihrer Kund*innen erfragen und entsprechend in ihren Empfehlungen dokumentieren.
5. Nationale Umsetzungen und Aufsichtsbehörden
In Deutschland kontrolliert die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) unter anderem, ob Banken und Versicherer ihren Offenlegungspflichten nachkommen und ob ihre Marketingversprechen mit den tatsächlichen Produktmerkmalen übereinstimmen. Außerdem überprüft sie, wie Finanzdienstleister die neuen Anforderungen zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen umsetzen.
Arten von nachhaltigen Anlageformen und Risiko des Greenwashings
Zahlreiche Anlageformen werden als nachhaltig beworben, doch häufig ist unklar, ob sie die Versprechen wirklich erfüllen:
- Nachhaltige Spar- und Girokonten
- Risiko: Banken werben mit nachhaltigen Projekten, legen aber ihr Kapital immer noch in fossile Energieunternehmen oder andere umstrittene Branchen an.
- Nachhaltige Kredite
- Risiko: „Grüne“ Kreditprodukte klingen gut, während massive Finanzierungen an Kohle-, Öl- und Gasunternehmen fortbestehen.
- Grüne Anleihen (Green Bonds)
- Risiko: Unternehmen können sich über einzelne „grüne“ Projekte als nachhaltig darstellen, während das Kerngeschäft weiterhin klimaschädlich ist.
- ESG-Fonds und -ETFs
- Risiko: Die ESG-Kriterien sind oft vage oder unzureichend. Manche Fonds investieren trotzdem in Atomenergie oder fossile Bereiche. Ein bekannter Fall ist die DWS (Tochter der Deutschen Bank), der in den Jahren 2021/2022 vorgeworfen wurde, mehr nachhaltige Assets als tatsächlich vorhanden, auszuweisen.
- Nachhaltige Versicherungen
- Risiko: Versicherungen bewerben „grüne“ Policen, investieren aber weiterhin in klimaschädliche Branchen.
- Impact Investing
- Risiko: Die tatsächliche positive Wirkung (Impact) lässt sich oft schwer messen. Manche Projekte sind nur scheinbar „impact-orientiert“, ohne echten Mehrwert.
- Crowdfunding und Crowdinvesting
- Risikopunkt: Viele Projekte sind hochspekulativ und die Angaben zum Nutzen für Umwelt und Gesellschaft sind häufig unzureichend.
Erfahrungen mit Greenwashing
- Die European Securities and Markets Authority (ESMA) fand 2022 heraus, dass etwa 42 Prozent der geprüften ESG-Fonds wahrscheinlich irreführend gekennzeichnet waren.
- Der europäische Markt für grüne Anleihen lag 2022 bei über 500 Milliarden Euro Emissionsvolumen, wobei ein Teil davon vermutlich kein echtes „Green“ aufweist.
Auch Nachhaltigkeitsberichte vieler Finanzmarktakteure („Nichtfinanzielle Erklärungen“) bieten nur erste Anhaltspunkte, weil es noch keine einheitlichen, verpflichtenden Standards gibt. Bei Finanzprodukten, die mit Umwelt- oder Sozialaspekten werben, fehlen oft klare und vergleichbare Bewertungen oder Ratings. Meist sind Unternehmensangaben die Hauptquelle, die in der Regel auf Englisch und sehr fachspezifisch formuliert sind.
Weitere Maßnahmen gegen Greenwashing
Trotz EU-Taxonomie, SFDR und weiterer Regelungen gibt es zusätzliche Akteure, die sich für mehr Transparenz einsetzen:
- NGOs und Verbraucherverbände
- Organisationen wie der WWF oder Urgewald veröffentlichen Studien über Missstände.
- Verbraucherverbände informieren zu nachhaltigen Geldanlagen und möglichen Täuschungen.
- Brancheninitiativen
- Sustainable-Finance-Initiativen von Bankenverbänden arbeiten an einheitlichen Bewertungs- und Berichtsstandards.
- Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) vergibt ein Siegel, wenn bestimmte Mindeststandards erfüllt sind.
- Regulatorische Weiterentwicklungen
- Die EU plant, die Taxonomie auf weitere Ziele auszuweiten (z. B. Biodiversität).
- Mit der neuen CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) müssen große Unternehmen bald sehr detailliert über ihre ESG-Leistung berichten. Die Daten sollen dann so zuverlässig sein wie Finanzberichte.
Wie erkennen Anleger Greenwashing?
Greenwashing ist oft schwer zu durchschauen. Anleger sollten sich nicht nur auf Marketingaussagen verlassen, sondern Folgendes beachten:
- Labels und Zertifizierungen prüfen:
- Gibt es anerkannte Siegel (z. B. das FNG-Siegel)?
- Werden internationale Standards (z. B. GRI, SASB) genutzt?
- Fondszusammensetzung prüfen:
- Welche Unternehmen sind im Portfolio enthalten?
- Sind problematische Branchen ausgeschlossen?
- Berichtsdokumente lesen:
- Nachhaltigkeitsberichte oder ESG-Reports können einen Einblick geben.
- Werden konkrete Kennzahlen genannt (z. B. CO₂-Fußabdruck)?
- Vergleich mit neutralen Datenbanken:
- Plattformen wie Morningstar Sustainalytics, ISS ESG oder MSCI ESG bieten ESG-Ratings zum Vergleich.
- Fragen an Berater*innen stellen:
- Nach welchen Kriterien wird investiert?
- Wie wird der Nachhaltigkeitsaspekt gemessen und berichtet?
- Welche Ausschlusskriterien werden angewendet?
Handlungsempfehlungen für Anleger
- Eigene Nachhaltigkeitsziele definieren:
- Welche Themen (Klimaschutz, Soziales, Tierwohl etc.) sind Ihnen besonders wichtig?
- Sollen bestimmte Branchen ausgeschlossen oder positiv gefördert werden?
- Aktive Kommunikation mit Beratern:
- Nach konkreten Informationen, Berichten und Ratings fragen.
- Sich nicht von allgemeinen Slogans oder vagen Versprechen täuschen lassen.
- Unabhängige Quellen hinzuziehen:
- Angaben des Anbieters mit Datenbanken, Berichten von Verbraucherschutzorganisationen, NGO-s oder Medienrecherchen abgleichen.
- Risiken richtig einschätzen:
- Nachhaltige Geldanlagen sind nicht automatisch risikofrei. Im Gegenteil: Durch den Ausschluss, der nicht nachhaltigen Investitionsbereiche verringert sich die Streuung des investierten Kapitals und somit steigt das Risiko.
- Auch Renditechancen und Kosten sollten beachtet werden.
- Regelmäßig überprüfen:
- ESG-Ratings, Unternehmensstrategien oder Marktbedingungen können sich ändern.
- Daher von Zeit zu Zeit prüfen, ob die Anlage noch den eigenen Werten entspricht.
Ausblick
Der Finanzsektor verändert sich rasant durch den Klimawandel, soziale Anforderungen und strengere Gesetze. Greenwashing wird es wahrscheinlich noch geben, bis entsprechende Regeln greifen und die Branche ihre Geschäftsmodelle anpasst. Neue Vorgaben wie die EU-Taxonomie und die SFDR sind wichtige Schritte, um Täuschungen zu erschweren und mehr Klarheit zu schaffen. Auch die Pflicht, Kund*innen nach ihren Nachhaltigkeitspräferenzen zu fragen (MiFID II, IDD), erhöht den Druck auf Finanzinstitute, echte Transparenz zu bieten.
Fazit
Die Nachfrage nach nachhaltigen Finanzprodukten steigt weiter und setzt Anbieter unter Druck, glaubwürdige ESG-Kriterien einzuhalten. Greenwashing zeigt sich in vielen Formen – Banken, Fonds, Anleihen oder Versicherungen können betroffen sein.
Neue Regelungen und Initiativen mindern das Risiko von Greenwashing, beseitigen es aber nicht völlig. Wer nachhaltig investieren möchte, sollte sorgfältig recherchieren, Ratings vergleichen und sich klar machen, was „nachhaltig“ für ihn oder sie persönlich bedeutet.
Anleger, die sich aktiv mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen, erhöhen ihre Chancen, von dieser Entwicklung zu profitieren. Kapitalmärkte reagieren zunehmend auf Umwelt- und Klimarisiken, und viele Kunden schätzen Unternehmen, die ehrlich und transparent agieren. Im Idealfall entsteht so ein positiver Kreislauf: Nachhaltige Finanzprodukte verbessern tatsächlich Umwelt und Gesellschaft, anstatt nur das Wort „grün“ im Titel zu tragen.
Quellen:
https://www.gsi-alliance.org/wp-content/uploads/2021/08/GSIR-20201.pdf
https://www.private-banking-magazin.de/esg-esma-nach-analyse-von-morningstar-und-handelsblatt-finanzaufsicht/
https://www.institutional-money.com/news/maerkte/headline/europa-wird-2022-emissionen-gruener-anleihen-anfuehren-210532