Umwelt

25.04.2023

Chemikalien in der Frühjahrsgarderobe

Chemikalien in der Frühjahrsgarderobe

Das Frühjahr und der Sommer laden zu Ausflügen ins Freie ein, der ein oder andere benötigt neue Outdoor-Garderobe. Chemikalien in Kleidung und Imprägnierungsmitteln waren in der Vergangenheit immer wieder Themen, doch welche Rolle spielen diese Substanzen heute oder sind sie schon längst verboten? Im Folgenden bieten wir ein Update zur aktuellen Lage sowie Orientierung beim Einkauf.

Outdoor-Jacke mit Regentropfen© Ondra - stock.adobe.com
Tipp: Im Handel nach PFAS-freien Outdoor-Produkten fragen

Chemikalien oder PFAS – was ist das eigentlich?

PFAS (per- and polyfluoroalkyl substances, per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) ist die international gebräuchliche Bezeichnung für die deutsche Abkürzung PFC (per- und polyfluorierte Chemikalien). PFAS kommen nicht natürlich vor, sondern sind vom Menschen industriell hergestellte Stoffe. Aktuell umfasst diese Stoffgruppe mehrere tausend Verbindungen mit teilweise unterschiedlichen Eigenschaften. Sie kommen bei der Herstellung einer Vielzahl von Verbraucherprodukten zum Einsatz aufgrund ihrer wasser-, schmutz- und fettabweisenden Wirkung. PFAS sind persistente, also sehr stabile Chemikalien, die in der Natur kaum abgebaut werden. Deshalb haben sie auch die Bezeichnung Ewigkeitschemikalien erhalten. Durch ihre Langlebigkeit wirken viele dieser Chemikalien bioakkumulativ, das heißt, sie reichern sich in lebenden Organismen an.

Wo kommen PFAS zum Einsatz?

PFAS sind wegen ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften sehr vielseitig einsetzbar und finden dadurch eine sehr breite Verwendung. Eine besondere Rolle spielen die Oberflächenbeschichtung und Imprägnierungen mit diesen Substanzen. Viele unserer Alltagsgegenstände enthalten PFAS: In Textilien wie Outdoor- und Sportbekleidung, in den Oberflächenbeschichtungen von Töpfen, Pfannen und Papieren (wie zum Beispiel Pizzakartons, Einweg-Kaffeebecher und Backpapier), in Textilien für Möbel, in Teppichen, Autositzbezügen und  Lederprodukten, in Kosmetikartikeln, Zahnseide und Haarshampoo sowie in Skiwachsen kommen PFAS zur Anwendung. Nicht zuletzt enthalten Lithiumbatterien und Membranen für Brennstoffzellen, aber auch Kühlmittel von Kühlschränken und Wärmepumpen PFAS. Indirekt betroffen sind Verbraucher*innen vom Einsatz der PFAS in der Industrie und in Feuerlöschschäumen.

Wie wirken sich PFAS auf Umwelt aus?

PFAS und ihre Abbauprodukte gelangen vorwiegend beim Produktionsprozess und bei der Entsorgung von PFAS-haltigen Gegenständen in die Umwelt, aber auch durch Abrieb und Waschen (zum Beispiel von Textilien). Bei sachgerechter Verwendung durch Verbraucher*innen spielt die reine Nutzung der Produkte eine nachrangige Rolle beim Umwelteintrag.  Da PFAS nicht verrotten, lagern sie sich in der Umwelt ab. Sie reichern sich nicht nur im Boden und im Wasser an, sondern gelangen auch in die Luft. PFAS auf ihrem Weg in die Gewässer aufzuhalten, ist bisher nicht möglich. Das Abfangen von PFAS in Kläranlagen ist sehr kostenintensiv und erfasst bisher nur einen geringen Teil dieser vielfältigen Stoffgruppe. PFAS gelangen in die Nahrungskette, da Wasserlebewesen, wie zum Beispiel Fische und Muscheln, sie über das Wasser aufnehmen. Über kontaminierte Böden gelangen sie auch in Pflanzen. Intensive Bewässerung mit PFAS-belastetem Wasser erhöht den Eintrag in die Böden. In Deutschland sind bereits viele Orte belastet. Meist handelt es sich um PFAS einsetzende Produktionsstätten und ihre Umgebung. Wesentliche Anteile an der Umweltbelastung mit PFAS entfallen aber auch auf Militärgelände, Flughäfen und Orte, an denen die Feuerwehr PFAS-haltige Löschschäume einsetzt oder eingesetzt hat. Inzwischen finden sich PFAS ähnlich wie Mikroplastik ubiquitär, also überall, in der Umwelt. Vertreter aus dieser Stoffgruppe wurden bereits in der Antarktis sowie  im menschlichen Blut und in der Muttermilch nachgewiesen.

Wie wirken sich PFAS auf die Gesundheit aus?

Anders als bei Mikroplastik sind die giftigen Wirkungen einiger PFAS bekannt. Für viele Substanzen dieser Stoffgruppe fehlen jedoch noch aussagekräftige Daten. Laut Umweltchemiker Martin Scheringer von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und laut EEA (European Environment Agency) könnten PFAS Krebs auslösen (bestimmte Krebsarten wie Prostata-, Nieren- und Hodenkrebs), Leber und Niere schädigen, Fruchtbarkeit und Immunsystem stören (Schwächung der Immunantwort auf bestimmte Infekte und Impfungen) und die Schilddrüse angreifen. Bei Kindern wurden Entwicklungsverzögerungen festgestellt und ein erhöhtes Risiko für Fettleibigkeit. Untersuchungen im gesamten Bundesgebiet zeigen, dass die Konzentration an analysierten PFAS im menschlichen Blut regional sehr unterschiedlich ist. Laut UBA (Umweltbundesamt) hatten ein knappes Viertel der untersuchten Kinder und Jugendlichen so hohe PFAS-Konzentrationen im Blut, dass gesundheitliche Schädigungen nicht mehr auszuschließen sind. PFAS nehmen wir beim Verzehr von Fisch, Meerestieren, Wild, Eiern, Innereien oder regional angebauten pflanzlichen Nahrungsmitteln, eben dort, wo die Böden besonders belastet sind, auf. Auch im Grundwasser und im Trinkwasser wurden die Chemikalien bereits nachgewiesen und gelangen auf diesem Weg in den menschlichen Organismus. Während die Nutzung PFAS-haltiger Produkte, wie zum Beispiel Outdoorkleidung, eine geringe Gefährdung der Verbraucher*innen darstellt, liegt das Problem in der Kontamination der Umwelt und dem Eintrag in die Nahrungskette durch Produktionsprozesse und Entsorgung.

PFAS in Wirtschaft, Politik und Privathaushalt

Die Industrie setzt nicht nur auf Sicherheitsvorkehrungen in der Produktion, sondern ersetzte bereits als toxisch bekannte PFAS durch andere weniger gesundheitsrelevante Stoffe aus dieser Gruppe. Doch diese Strategie trägt nicht, da auch die alternativen Substanzen persistent sind und selbst oder durch Umwandlungsprozesse die menschliche Gesundheit gefährden können. Der Ersatz durch verwandte Substanzen ist somit keine Lösung. Als Konsequenz wurden inzwischen für eine Reihe von Produkten PFAS-freie Alternativen entwickelt. Das gelang für die wasserabweisenden Eigenschaften ausreichend, jedoch nicht für die fettabweisenden Eigenschaften. Somit gibt es bisher keine Alternativen, die die PFAS in ihrer Vielseitigkeit ersetzen. Für die Industrie ist der Verzicht auf PFAS unter Umständen mit Kosten verbunden.

Die Politik reagiert mit Regulierungen, Vorschriften und Verboten.
Einige PFAS sind in Europa bereits verboten, für andere werden Einschränkungen diskutiert.
So darf nach der Europäischen Chemikalienverordnung REACH zum Beispiel PFOA (Perfluoroktansäure) seit Juli 2020 in der EU nicht mehr hergestellt werden und unterliegt in Verbraucherprodukten Grenzwerten. Weltweit einigte sich die internationale Gemeinschaft auf Basis des Stockholmer Übereinkommens auf ein Verbot von PFOA und PFOS (Perfluoroktansulfonat), unverzichtbare Anwendungen ausgenommen. Da die Stoffgruppe der PFAS jedoch groß ist und viele Stoffe noch unzureichend untersucht wurden, erwägt die EU zurzeit ein generelles Verbot aller PFAS, die gesellschaftlich nicht unabdingbar sind. Deutschland, die Niederlande, Dänemark, Norwegen und Schweden fordern eine solche Regulierung. In der EU könnte 2025 nach einer Prüfung durch die Chemikalienagentur der EU eine Abstimmung darüber folgen. Ein solches Verbot würde auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, da die Untersuchung jeder einzelnen Substanz zu viel Zeit in Anspruch nähme.

Für Verbraucher*innen ist der Umgang mit PFAS erschwert, denn beim Einkauf ist der Einsatz von PFAS normalerweise nicht zu erkennen. Vorsicht ist geboten, wenn Hersteller mit dem Verzicht auf Einzelstoffe aus der PFAS-Gruppe werben (zum Beispiel PFOA-frei, PFOS-frei). Diese Produkte können durchaus noch andere PFAS enthalten. Es gibt für PFAS bisher keine Kennzeichnungspflicht. Die reine Nutzung PFAS-haltiger Produkte stellt zwar ein geringes Gesundheitsrisiko dar und belastet die Umwelt vergleichsweise geringfügig, aber dennoch befeuern Käufer*innen durch den Erwerb PFAS-haltiger Produkte die Belastungen durch Produktion und Entsorgung. Das sind Folgen, die, wie häufig bei Nachhaltigkeitsthemen, für Verbraucher*innen nicht auf den ersten Blick sichtbar und spürbar sind. Wir können durch unser Konsum- und Einkaufsverhalten viel zur Reduktion von PFAS in der Umwelt beitragen, indem wir nur notwendige Käufe tätigen und mögliche PFAS-freie Alternativen nutzen.

Tipps für Verbraucher*innen zur Vermeidung von PFAS

  • Im Handel nach PFAS-freien Produkten fragen.
    Produktinformationen finden Sie unter den Apps ToxFox und CodeCheck
  • Herstellerangaben kritisch prüfen: Nur die Angaben PFAS-frei, PFC-frei, fluorfrei schließen alle PFAS aus
  • Auf Siegel achten: Der Blaue Engel wird für schadstoffarme Produkte vergeben, das GOTS- Siegel für nachhaltige Mode
  • Textilien mit den Hinweisen wasser-, fett- oder schmutzabweisend enthalten häufig PFAS
  • Outdoorkleidung und Sportkleidung dem Zweck angemessen kaufen. Für Deutschland muss die Ausrüstung nicht den Ansprüchen einer Polarexpedition dienen. Es gibt für wasserabweisende Textilien gute, PFAS-freie Alternativen, (bisher jedoch nicht für fettabweisende Textilien)
  • Auf beschichtete Pfannen verzichten
  • Einweg-(Kaffee-)Becher und Einwegverpackungen vermeiden
  • Den Verbrauch an beschichteten Backpapier durch Fetten der Backbleche und – formen minimieren.
  • Kühlgeräte ohne fluorhaltige Kühlmittel erwerben
  • Wärmepumpen ohne fluorhaltige Kühlmittel erwerben (Alternativen sind zum Beispiel Propan oder Butan)

Quellen: