Umwelt
22.06.2023
Geoengineering – technische Lösungen für die Klimakrise?
Die Klimakrise ist so brisant wie nie zuvor. Trotz internationaler Abkommen stoßen wir weltweit nach wie vor zu viel Kohlendioxid (CO2) aus. Ohne eine radikale Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen verfehlen wir laut Weltklimarat bereits Anfang der 2030er Jahre das 1,5-Grad Ziel – mit weitreichenden Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Technische Lösungen erscheinen hier als einfacher Ausweg. Sind sie ein probates Mittel aus dem Klimadilemma oder eher ein gefährlicher Irrweg?
Geoengineering – zwei Richtungen, viele Ideen
Eigentlich eine geniale Idee: technische Mittel nutzen, um die Klimaerwärmung zu stoppen. Wir könnten ungehindert weiterhin Treibhausgase ausstoßen, ohne ein Aufheizen der Atmosphäre befürchten zu müssen. Der Begriff Geoengineering oder Clima-Engineering umfasst alle bewusst durchgeführten technologischen Maßnahmen, die eine Veränderung des Klimas zum Ziel haben. Meist mit der Absicht, die Klimaerwärmung global zu stoppen.
Es existieren zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze des Geoengineerings: Eine Richtung bezieht sich auf die Reduzierung des Kohlendioxids in der Atmosphäre. Das Carbon Dioxide Removal (CDR) setzt an der Ursache der globalen Erwärmung an. CO2, das der Mensch seit der Industrialisierung durch die Verbrennung fossiler Rohstoffe ausgebracht hat, wird der Luft entzogen und langfristig gespeichert. Ein weiteres Aufheizen unseres Planeten wäre abgewendet. Soweit die Theorie.
Andere Ansätze beziehen sich auf die Beeinflussung des Strahlungshaushalts der Erde (Solar Radiation Management SRM). Diese Methoden zielen darauf ab, die Sonnenstrahlung zu verringern, um auf diese Wiese eine Kühlung in Bodennähe zu erreichen. Würden wir beispielsweise alle Hausdächer weiß anstreichen, erhöht sich die Reflexion und es wird ein höherer Teil der Strahlung wieder ins Weltall zurückgespiegelt. In diesem Bereich existieren aber auch weitaus futuristischere und gefährliche Ideen. Sie reichen von riesigen Reflexionsflächen in der Wüste oder auf dem Meer bis hin zur Installation gigantischer Spiegel zwischen Sonne und Erde (UBA).
Letzte Rettung oder gefährlicher Irrglaube?
Zu beiden Richtungen existieren bereits einige konkrete Ideen, Feldforschungen oder sogar durchgeführte Maßnahmen. Doch all diese Lösungen bergen Gefahren für den gesamten Planeten. Eingriffe an einer Stelle des komplexen Klimasystems können Parameter verändern, deren Folgen weder absehbar oder reversibel sind.
Düngung der Meere
Einige Forschungen befassten sich in der Vergangenheit mit der Düngung des Ozeans mittels Eisen. Ausgebracht in Mangelgebieten soll der Nährstoff für eine Algenblüte sorgen. Die Einzeller nehmen beim Wachsen Kohlendioxid auf. Sterben die Algen ab, sinken sie auf den Meeresboden und binden das eingelagerte CO2 im Boden. In den Experimenten gelang das jedoch nur in geringem Maß. Die Algen wurden beispielsweise vor dem Absinken entweder von Meereslebewesen gefressen, mineralisiert oder die Blüte war durch Lichtmangel nicht von langer Dauer. Außerdem birgt die Methode einige Gefahren für das marine Ökosystem. Das großflächige Ausbringen von Nährstoffen bringt die empfindlichen biochemischen Abläufe im Meer durcheinander – mit unabsehbaren Folgen für die Biodiversität (UBA).
Kohlendioxid-Speicherung
Bereits im Einsatz sind Techniken, die CO2 dort abscheiden, wo es in großen Mengen freigesetzt wird. Bei Industrieprozessen wie der Zementproduktion oder direkt aus der Luft, könnte die Technologie des Carbon Capture and Storage (CCS) einen Teil des Kohlendioxids einfangen, verflüssigen und unterirdisch speichern. Weltweit existieren jedoch nur sehr wenige Pilotanlagen, die nennenswerte Erfolge erzielen (Springer). Sie arbeiten meist wenig effizient und sind kostenintensiv. Die Technik des Kohlendioxid-Abscheidens erfordert viel Energie, die wir momentan meist aus fossilen Rohstoffen gewinnen.
Problematisch und noch nicht gänzlich erforscht sind vor allem auch die Lagerstätten. Ähnlich wie bei Atommüll-Endlagern müssen unterirdische CO2-Speicher geologisch für bis zu 10.000 Jahre sicher sein. Greenpeace kritisiert hier die Gefahren von Lecks oder Erdbeben beim Verpressen des Kohlendioxids. Außerdem könnte Grundwasser in bestimmten Fällen versalzen oder mit Schadstoffen verunreinigt werden UBA.
Abschwächen der Sonnenstrahlung
Auch solares Geoengineering birgt enorme Risiken. Eine Idee des SRM ist das Ausbringen von kleinen Schwefeldioxid-Teilchen in obere Luftschichten. Mittels Flugzeugen in der Stratosphäre verteilt, fangen die winzigen Aerosole einen Teil der Sonnenstrahlen ab und reflektieren sie ins All zurück. In der Natur kommt es bei Vulkanausbrüchen zu solch einem Phänomen. Momentan existieren aber noch gar keine Flugzeuge, die in der Lage wären, in so hohe Höhen zu fliegen. Forschungen der Max-Planck-Gesellschaft haben ergeben, dass für einen nennenswerten Effekt 6700 Flüge pro Tag nötig wären. Neben enormen Kosten, wären auch die Nebenwirkungen schwerwiegend. Unkalkulierbare Gefahren sind beispielsweise die Entstehung von saurem Regen und damit unter anderem einhergehende negative Effekte auf das Pflanzenwachstum, weltweit durchschnittlich abnehmende Regenfälle oder eine Abschwächung der globalen Luftströmungen zwischen Äquator und Polen. Außerdem würde sich unser Himmel eintrüben, statt strahlendem Blau sähen wir milchiges Grau beim Blick nach oben.
Diese wenigen Beispiele zeigen deutlich: Ansätze für das sogenannte Geoengineering gibt es viele, doch die Auswirkungen sind bisher nicht absehbar.
Eingriffe an einer Stelle, Auswirkungen auf die ganze Welt
Die Gefahren durch Geoengineering verlangen nach verbindlichen internationalen Abkommen für technische Klimamanipulationen. Eingriffe eines Landes oder eines kommerziellen Unternehmens in das Klimasystem könnten in anderen Teilen der Erde zu gravierenden Klimaänderungen und Katastrophen führen. Momentan gibt es aber nur für Wenige Vorschriften. Marines Geoengineering zu kommerziellen Zwecken ist seit 2013 durch das Hohe-See-Einbringungsgesetz (HSG) verboten, Forschungsprojekte benötigen eine Genehmigung. Doch in anderen Bereichen hinkt die Politik hinterher.
Geoengineering zukünftig trotzdem unverzichtbar?
Ohne negative CO2-Emissionen sind die Klimaziele nicht mehr erreichbar. Der Weltklimarat hat in den meisten Szenarien die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre mit eingerechnet. In Form von Wiederaufforstungsmaßnahmen wird dies bereits heute durchgeführt. Allerdings sind dafür große Landflächen nötig, die in Konkurrenz zu Landwirtschaft und Nutzung von Bodenschätzen stehen (Deutsches Klimakonsortium) und die Zeit drängt. Soll die Durchschnittstemperatur unter 1,5 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau bleiben, müssen wir massiv Treibhausgase einsparen.
Momentan sind technische Lösungen noch zu unsicher und nicht beherrschbar. Forschungen in diese Richtung sind dennoch unabdingbar. Vielleicht ist es irgendwann die besser Alternative zu den Auswirkungen der menschengemachten Klimaerwärmung. Doch die Hoffnung auf technische Lösungen darf nicht von der dringend nötigen Einsparung von Treibhausgasen ablenken. Handeln ist schon jetzt notwendig.
Weiterführende Informationen:
VSB-Tipp: Klimawandel: Gut vorbereitet auf Extremwetter
VSB-Tipp: Klimawandel und COS – Zusammenhänge, Hintergründe und Prognosen
Umweltbundesamt: Geo-Engineering