Umwelt
04.03.2024
Klimaneutral leben - geht das?
Die Folgen des Klimawandels sind zunehmend spürbar. Die Zunahme extremer Wetterereignisse in den letzten Jahren verdeutlicht, dass rasches Handeln gefragt ist. Nicht nur Politik und Kommunen, wir alle sind aufgefordert zu handeln. Wir gehen der Frage nach, ob und wie Klimaneutralität zu erreichen ist.

Was bedeutet Klimaneutralität?
Ob bei der Herstellung von Produkten, beim Heizen oder bei motorisierter Fortbewegung: Es geht nicht ohne CO2-Emissionen. Auch bei ambitionierten Einsparmaßnahmen setzen sich Treibhausgase frei. „Klimaneutralität“ lässt sich nur durch den Kauf von CO2-Ausgleichszertifkaten erreichen und bedeutet, dass die entstandenen Emissionen berechnet und im nächsten Schritt durch Investitionen in Klimaschutzprojekte an anderer Stelle ausgeglichen werden. Staaten, Unternehmen sowie Privatpersonen gelangen auf diese Weise zur so genannten Klimaneutralität.
Der Begriff steht in der Kritik:
- Trotz „Klimaneutralität“ werden Treibhausgase ausgestoßen und wirken aufs Klima. Der Begriff Klimaneutralität wird von Verbraucher*innen überwiegend falsch verstanden (vzbv) und setzt keine Anreize, auf klimaschädliche Tätigkeiten zu verzichten.
- Die Berechnung der entstandenen Treibhausgase ist kompliziert und fehleranfällig. Beispielsweise verursachen Flüge so genannte Nicht-CO2-Effekte, für deren Berechnung es bisher keine einheitliche Vorgehensweise gibt (DEHSt).
- Durch Ausgleichszahlungen werden Projekte unterstützt, die CO2-Emissionen vermeiden oder binden. Nicht alle Zertifikate sind glaubwürdig und kommen dem Klima zugute. Vor allem Projekte, die lediglich Waldschutzgebiete ausweisen, sind in der Kritik (Utopia).
Fazit: Der Begriff „klimaneutral“ ist nicht gleichbedeutend mit „kein CO2-Ausstoß“. Er erweckt allerdings den Eindruck, dass keine weiteren Anstrengungen zur Vermeidung von Treibhausgasen erforderlich sind. Die Erwartung, dass sich Emissionen durch Ausgleichszahlung neutralisieren lassen, kann zum (Mehr-)Konsum mit gutem Klimagewissen verleiten (Rebound-Effekt). Ausgleichszahlungen werden deshalb auch als moderner Ablasshandel bezeichnet. Hinzu kommt, dass der freiwillige Markt mit Klimazertifikaten wenig transparent ist und einheitliche Vorgaben und Kontrollen fehlen.
Umweltbezogene Aussagen gehören stärker geregelt
Werbung mit Begriffen wie Klimaneutralität ist bisher nicht gesetzlich geregelt und birgt die Gefahr, dass die Notwendigkeit von Verhaltensänderungen außer Acht gelassen wird. Besonders kritisch ist dies in klimaschädlichen Bereichen wie Flugreisen oder beim Tanken und Heizen mit fossilen Brennstoffen. Der VerbraucherService Bayern begrüßt deshalb die Pläne der EU, umweltbezogene Aussagen stärker zu regeln und so nachhaltige Kaufentscheidungen zu erleichtern. Die Bezeichnung eines Produktes als "klimaneutral" darf nach Plänen der EU in Zukunft nicht mehr nur auf Kompensationsmaßnahmen beruhen.
Die Vermeidung von CO2-Emissionen muss immer an erster Stelle stehen. Wichtig ist, CO2-Emissionen durch technische Maßnahmen und Verhaltensänderungen so weit wie möglich zu reduzieren und Klimaschutz finanziell zu unterstützen. Um Schäden durch Klimafolgen zu minimieren, braucht es Maßnahmen zur Anpassung an die Zunahme extremer Wetterereignisse.
Handlungsmöglichkeiten im Alltag – jeder kann einen Beitrag leisten
Der durchschnittliche CO2-Fußabdruck pro Kopf beträgt in Deutschland 10,3 t CO2e (BMUV). Um das 1,5°C Klimaziel von Paris zu erreichen, ist eine Verringerung auf weniger als eine Tonne CO2e pro Kopf erforderlich. Hier besteht dringend Handlungsbedarf. Mit 24 Prozent (2,5 t CO2e) hat der Konsum den größten Anteil, gefolgt von Mobilität (2,1 t CO2e bzw. 21 Prozent), Wohnen (2,3 t CO2e bzw. 23 Prozent) und Ernährung (1,6 t CO2e bzw. 15 Prozent). Es lohnt sich also, insbesondere in diesen Bereichen anzusetzen.
Attraktive Alternativen sind nötig. Klimafreundliches Verhalten ist kein Selbstläufer, sondern braucht geeignete Rahmenbedingungen, die für alle einfach umsetzbar sind. Ein Beispiel ist der Mobilitätsbereich: Mobilität per se ist unabhängig vom Verkehrsmittel und beschreibt lediglich die Möglichkeit, Ziele im Alltag in einer gewissen Zeit zu erreichen. Welches Verkehrsmittel wir wählen, hängt stark von den Rahmenbedingungen vor Ort ab. In der Vergangenheit wurden Straßen stark ausgebaut und Städte autogerecht umgestaltet, so dass Autofahren im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln an Attraktivität gewinnen konnte. Heute ist der "Motorisierte Individualverkehr" (dazu zählen neben dem Auto auch Motorräder und Motorroller) mit einem Anteil von 75 Prozent der Personenkilometer das dominierende Verkehrsmittel (bpb). Damit weniger Personen auf das Auto zurückgreifen, gilt es, attraktive Alternativen zu schaffen. Dass dies möglich ist, zeigt beispielsweise die Förderung des Radverkehrs in Kopenhagen (Utopia).
Nicht nur die strukturellen, auch die finanziellen Rahmenbedingungen haben einen entscheidenden Einfluss auf unser Verhalten. Umweltfreundliche Produkte, wie beispielsweise Bio-Lebensmittel, kosten in der Regel mehr als konventionell erzeugte. Ein Grund dafür ist, dass Umweltfolgekosten nicht im Preis enthalten sind und somit nicht vom Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden. Infolge des Klimawandels nehmen Extremwetterereignisse wie Hochwasser, Dürren und Stürme zu und verursachen enorme Kosten. Nach Berechnungen des Umweltbundesamts verursacht die Emission einer Tonne CO2 Schäden in Höhe von etwa 180 Euro (Bezugsjahr 2016). Wären diese versteckten Kosten von Anfang an als „ökologisch wahrer Preis“ eingepreist worden, würden wir heute anders konsumieren. Die 2021 eingeführte CO2-Bepreisung ist ein erster Schritt, um die Verwendung fossiler Brennstoffe durch finanzielle Anreize zu verringern.
Wichtig: Es geht nicht darum, Preise zu erhöhen, sondern die Kosten für entstandene Schäden nach dem Verursacherprinzip umzulegen und dadurch klimafreundliches Verhalten auch finanziell zu belohnen.
Nachhaltiger Konsum ist möglich und muss nicht immer teurer sein. Bereits jetzt gibt es Beispiele, die Geld sparen und zum Wohlbefinden beitragen. Unsere Fastenaktion #mehrwertschätzen auf Social Media stellt den Mehrwert nachhaltiger Verhaltensweisen in den Fokus.
Investition in Klimaschutzprojekte: Kompensation oder Spende?
Klimaschutzmaßnahmen kosten Geld. Verbraucher*innen leisten einen Beitrag, indem sie Klimaprojekte finanziell unterstützen. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Kompensationszahlungen und Klimaspenden.
Kompensationszahlungen beruhen auf dem Verursacherprinzip und sollen persönliche Emissionen ausgleichen. Im ersten Schritt werden diese berechnet und durch Investitionen in Klimaschutzprojekte ausgeglichen. Unterstützung erhalten beispielsweise die Verteilung von Solarkochern, der Bau von Biogasanalgen oder die Aufforstung von Wäldern. Die Höhe der Zahlung hängt von der Höhe der ausgestoßenen Treibhausgase ab.
Folgende Kriterien sind wichtig (DEHSt):
- Vermeiden und Vermindern vor Kompensation: Am besten ist es, wenn von vornherein keine oder möglichst wenig Emissionen entstehen.
- Zusätzlichkeit: Es handelt sich um ein zusätzliches Klimaschutzprojekt, das erst durch den Verkauf der CO2-Zertifikate ermöglicht wird.
- Transparenz: Die Berechnungsgrundlagen der zu kompensierenden Emissionsmenge und der durch das Projekt eingesparten Emissionen werden offengelegt.
- Realitätsnahe Berechnung: Alle Emissionen mit Einfluss auf das Klima fließen in die Berechnung ein, z.B. auch „Nicht-CO2-Effekte“ bei Flügen.
- Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung: Investiert wird nur in Klimaschutzprojekte von hoher Qualität, die auch den Menschen vor Ort zugutekommen.
- Keine Doppelzählung: Das Land, in welchem das Klimaprojekt durchgeführt wird, erhält keine zusätzliche Gutschrift.
Der Markt mit Klimazertifikaten ist bisher kaum reguliert. Orientierung für die Qualität der unterstützten Klimaschutzprojekte bietet „The Gold Standard“ (UBA). Stiftung Warentest hat im Jahr 2022 vier Anbieter von CO2-Kompensation getestet. Testsieger mit der Gesamtnote „Sehr gut“ (0,5) wurde Atmosfair, das Testurteil „Gut“ erhielten Klima-Kollekte (1,7) und Primaklima (2,5) (Finanztest 11/2022).
Mit einer Spende bringen Verbraucher*innen unabhängig vom eigenen CO2-Fußabdruck den Klimaschutz voran. Ziel ist hier nicht, die eigenen Emissionen auszugleichen. Die Höhe der Spende bemisst sich nach den eigenen finanziellen Möglichkeiten. Wie bei Kompensationszahlungen können Klimaschutzprojekte unterstützt werden. Darüber hinaus sind auch Spenden an Organisationen möglich, die sich politisch für Klimaschutz engagieren oder zu neuen Technologien forschen.
Eine Zusammenstellung verschiedener Anbieter finden Sie hier. Positiver Nebeneffekt: Spenden und Kompensationszahlungen an gemeinnützige Anbieter lassen sich von der Steuer absetzen.
Anpassung an Klimafolgen
Trotz aller Bemühungen lässt sich der Klimawandel nicht mehr stoppen. Die damit einhergehenden Veränderungen stellen uns vor große Herausforderungen. In Bayern ist die Jahresmitteltemperatur seit 1951 um +1,9° C angestiegen. Die Zahl der Hitzetage mit Temperaturen über 30°C hat sich im selben Zeitraum verdreifacht. Die steigenden Temperaturen wirken sich stark auf unsere Gesundheit aus und können sogar lebensbedrohlich werden. Aufgrund der hohen Versiegelung leiden Stadtbewohner besonders stark unter der zunehmenden Hitze. Die Kühlfunktion unseres Körpers stößt bei extremen Temperaturen an ihre Grenzen. Deshalb ist es wichtig, das Aufheizen von Innenräumen zu minimieren und bei extremer Hitze für Abkühlung zu sorgen. Begrünung und bauliche Maßnahmen verhindern, dass sich Städte an heißen Tagen noch stärker aufheizen.
Neben höheren Temperaturen führt der Klimawandel auch zu einer veränderten Niederschlagsverteilung. Wasser wird nicht nur zur kostbaren Mangelware, sondern auch zur Gefahr.
- Bei Starkregen fließen Niederschläge verstärkt oberirdisch ab und tragen nicht zur Grundwasserneubildung bei. Außergewöhnlich starke Niederschläge können zu Überschwemmungen und Hochwasser führen und enorme Schäden verursachen.
- Sommerliche Trockenperioden führen zu Niedrigstständen in Flüssen, Seen sowie im Grundwasser. Zugleich wird an heißen Tagen mehr Wasser zur Bewässerung und Erfrischung nachgefragt, so dass bei anhaltender Trockenheit lokale Versorgungsengpässe möglich sind.
Am Alpenrand und besonders in den steileren Lagen mit geringerer Bodendecke spielt beim Schutz vor Starkregen vor allem ein intakter Bergwald eine entscheidende Rolle. In die gleiche Richtung geht die Renaturierung von Flussauen und Altwässern, die bei Hochwasser ohne Schaden überfluten.
Auch Städte gilt es an die Änderungen anzupassen. Siedlungs- und Verkehrsflächen sind oft wasserdicht mit einem Belag aus Asphalt, Beton oder Pflastersteinen abgedeckt. Hier gilt es, Flächen so zu gestalten, dass Regenwasser versickern kann oder aufgefangen wird. So werden Hochwasserspitzen abgefangen und Wasser in der Fläche zurückgehalten. Ein weiterer Vorteil: begrünte Flächen heizen sich weniger stark auf.
Der menschengemachte Klimawandel vollzieht sich für viele Arten zu schnell. Während einige heimische Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind, können sich andere neu ansiedeln. Dies hat gravierende Auswirkungen auf Ökosysteme. Land- und Forstwirtschaft, aber auch Gartenbesitzer müssen sich neuen Herausforderungen stellen.
Es ist besser, jetzt in Klimaschutz zu investieren als viel Geld für Folgeschäden auszugeben. Es geht darum, Prozess zu verlangsamen und Schäden zu minimieren: Jedes Zehntel Grad eingesparte Erwärmung zahlt sich aus. Wenn wir jetzt etwas tun, lässt sich die Klimakrise noch eindämmen.
Unter dem Motto „Gemeinsam fürs Klima“ informiert der VerbraucherService Bayern im KDFB e.V. (VSB) über Klimafolgen in Bayern und motiviert, gemeinsam aktiv zu werden. Weitere Infos zur Ausstellung.
Weiterführende Links
Europäisches Parlament: CO₂-Abbau: zusätzliche Maßnahmen zur Verwirklichung der Klimaneutralität
Deutsche Umwelthilfe: Werbeversprechen Klimaneutralität
Landesamt für Umwelt: Gemessene Klimaveränderung
Umweltbundesamt: Kompensationszahlungen als Ausgleich unvermeidbarer Emissionen