Umwelt
19.07.2023
Weniger Plastik, mehr Lebensqualität
Der so genannte Erderschöpfungstag fällt 2023 auf den 2. August. An diesem Tag hat die Weltbevölkerung rein rechnerisch bereits die ökologischen Ressourcen für das gesamte Jahr aufgebraucht. Kunststoffe stehen wie kein anderes Material für schnelllebigen Konsum. Die wachsenden Umweltprobleme zeigen, dass weitreichende Änderungen im Umgang mit dem praktischen Werkstoff notwendig sind. Wie können wir gut leben, ohne viel Plastik zu verbrauchen?
Leben im Plastik-Zeitalter
Kunststoffe prägen nicht nur unseren Alltag, sie sind mittlerweile auch überall in der Umwelt zu finden, selbst in entlegenen Regionen: Neuartige Plastikfelsen wurden auf einer abgelegenen Insel im Atlantik entdeckt (Nationalgeographic), kleinste Kunststoffteilchen lassen sich sowohl in Eisbohrkernen in der Arktis (Tagessschau) als auch in der Tiefsee in über 5.000 Metern Tiefe nachweisen (Deutsche Stiftung Meeresschutz).
Die Folgen sind weitreichend und das über lange Zeit, denn die Zersetzung kann mehrere hundert Jahre dauern. Dabei zerfallen große Plastikteile, so genanntes Makroplastik, stetig in immer kleinere Bestandteile. Unter einer Größe von fünf Millimeter ist die Rede von Mikroplastik, noch kleiner ist Nanoplastik, das je nach Definition mit einer Größe kleiner als ein Mikrometer oder 100 Nanometer fürs menschliche Auge nicht mehr sichtbar ist.
Risiko für Mensch und Tier
Kunststoffe sind keine einheitliche Gruppe, ihr Gefährdungspotenzial ist deshalb schwer zu beurteilen. Polyethylen, Polypropylen, Styropor etc. – Kunststoffe unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur. Um gewünschte Eigenschaften zu erzielen, werden verschiedene Chemikalien zugesetzt mit entsprechend unterschiedlichen gesundheitlichen Auswirkungen. Diese Chemikalien setzen sich beim Zerfall frei.
Auch Größe, Oberfläche und Form spielen eine entscheidende Rolle. So ändert sich das Gefährdungspotenzial ein und desselben Kunststoffs beispielsweise mit der Größe. Makroplastik führt in erster Linie zu mechanischen Verletzungen. Tiere verletzen sich an spitzen Gegenständen oder verenden, weil sie sich in Netzen und Schnüren verfangen. Verwechseln sie die Teile mit Nahrung, besteht die Gefahr, dass sie innere Verletzung erleiden oder mit vollem Magen verhungern.
Für Kunststoffteile kleiner fünf Millimeter, so genanntes Mikroplastik, sind die Folgen schwer abschätzbar. Größeres Mikroplastik scheiden Menschen in der Regel aus. Je kleiner die Teilchen, desto eher gelangen sie in menschliche Zellen. Als mögliche Effekte von Nanoplastik werden beispielsweise Entzündungsprozesse im Gewebe diskutiert (BfR). Zusammen mit Plastikpartikeln können zudem schädliche Substanzen in den Körper gelangen. Es bedarf weiterer Studien, um die Laborbefunde und Auswirkungen auf unterschiedliche Lebewesen, Umweltmedien und Ökosysteme zu überprüfen.
Die Plastikkrise ist eng verbunden mit aktuellen Umweltproblemen, wie dem Verlust der Artenvielfalt und dem Klimawandel (Heinrich-Böll-Stiftung, Deutschlandfunk). Nach wie vor steigt der Kunststoffverbrauch weltweit an. Sowohl Politik und Unternehmen als auch Konsumenten sind gefordert zu handeln.
VerbraucherService Bayern fordert mehr Achtsamkeit im Umgang mit Kunststoffen
Der VerbraucherService Bayern fordert, Kunststoffe gezielt einzusetzen und möglichst lange im Nutzungskreislauf zu halten. Die Vermeidung von Wegwerfartikeln steht in der Abfallhierarchie an erster Stelle, gefolgt von einer langen Nutzungsdauer. Auch plastikfreie Alternativen sind nicht automatisch umweltfreundlich. So schneiden Glasflaschen und Papiertragetaschen bei einmaliger Nutzung schlechter ab als die jeweiligen Pendants aus Plastik.
Recycling ist wichtig, um den Ressourcenverbrauch bei der Produktion zu senken und den anfallenden Müll zu verwerten, es regt jedoch nicht zum sparsamen Umgang an, wie das Beispiel Verpackungen zeigt. Ziel der Verpackungsverordnung von 1991 war es dem steigenden Verpackungsaufkommen entgegenzuwirken und anfallende Verpackungen zu verwerten. Das Ziel, das Verpackungsaufkommen zu reduzieren, wurde weit verfehlt: der Verbrauch stieg von 15,6 Millionen Tonnen im Jahr 1991 auf 18,8 Millionen Tonnen im Jahr 2020 (Umweltbundesamt).
Auch nach über 30 Jahren Mülltrennung findet echtes Recycling in der Form, dass zum Beispiel aus einem Joghurtbecher ein neuer wird, bei Lebensmittelverpackungen so gut wie nicht statt. Doch es gibt Fortschritte, wie das Beispiel PET-Flaschen zeigt.
Immer mehr Getränkeflaschen im Flaschen-Kreislauf
17 Milliarden PET-Getränkeflaschen wurden 2021 in Deutschland verbraucht und Großteils dem Recycling zugeführt (94,8 Prozent; GVM). Die gesammelten Flaschen werden zur Herstellung neuer Getränkeflaschen verwendet (44,7 Prozent), aber auch zu Folien (26,8 Prozent), Fasern (11,3 Prozent) und sonstigen Produkten wie Non-Food-Flaschen und Kunststoffbändern (17,2 Prozent) verarbeitet.
Bei PET-Getränkeflaschen überwiegt die Einwegvariante, Mehrwegflaschen hatten 2021 nur einen Anteil von 3,3 Prozent. Sowohl Einweg- als auch Mehrwegflaschen sind recyclingfähig. Getränkeflaschen, die in Deutschland hergestellt werden, bestehen zu fast 45 Prozent aus recycelten PET-Flaschen (GVM).
Einweg oder Mehrweg – was ist umweltfreundlicher?
Für Getränkeverpackungen kommen verschiedene Materialien zum Einsatz. Glas- und Kunststoffflaschen gibt es sowohl in der Einweg- als auch in der Mehrwegvariante. Wie umweltfreundlich eine Verpackung ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine pauschale Empfehlung für eine bestimmte Verpackungsart ist daher nicht möglich.
Leichte PET-Einwegflaschen mit 1,5 Liter Inhalt und einem hohen Recyclinganteil haben eine vergleichsweise gute Ökobilanz. Das ifeu-Institut bewertet in einer aktuellen Studie die CO2-Bilanz der so genannten Kreislaufflasche der MEG: Hier wurden Gewicht und Transportweg reduziert, der Recyclinganteil gesteigert, sodass die untersuchte 1,5 Liter Kreislaufflasche eine sehr gute Klimabilanz aufweist. Die Ökobilanz entspricht jedoch nicht den Mindestanforderungen des Umweltbundesamtes. Die Ergebnisse sind nicht auf andere Einwegflaschen übertragbar. Kleinere Verpackungsgrößen und dickwandige Flaschen mit einem geringen Rezyklateinsatz schneiden schlechter ab.
Beim Recyceln entstehen immer Verlust, das heißt es muss neues Material zugegeben werden. Es ist nicht möglich, alle Flaschen auf dem Markt zu 100 Prozent aus Rezyklat herzustellen (Umweltbundesamt). Ein Kreislaufsystem mit ausschließlich recycelten PET-Flaschen funktioniert dem Umweltbundesamt zufolge nur, solange Verluste durch den Einsatz von PET-Flaschen anderer Hersteller mit einem geringeren Recyclinganteil ausgeglichen werden.
Auch Mehrweg ist nicht gleich Mehrweg. Entscheidend sind, insbesondere bei Glasflaschen, kurze Transportwege. Auch effiziente Reinigungsverfahren und lange Nutzungszyklen, das heißt eine hohe Umlaufhäufigkeit, spielen eine wichtige Rolle. Günstig sind einheitliche Standardflaschen, so genannte Poolflaschen, die beim nächstgelegenen Abfüller wieder zum Einsatz kommen. Doch auch Individualflaschen, die ausschließlich regional vermarktet werden, weisen nur kurze Transportwege auf.
Umweltbilanzen berücksichtigen nicht alle Aspekte. Umweltprobleme durch Mikroplastik und Littering beispielsweise lassen sich nicht abbilden. Dasselbe gilt für gesundheitliche Aspekte. Anders als Kunststof ist Glas inert und gibt keine Stoffe an den Inhalt ab.
Tipps für Verbraucher*innen
- Leitungswasser trinken: es kommt ohne Verpackung direkt ins Haus. Auskunft zur genauen Zusammensetzung gibt der örtliche Wasserversorger.
- Getränke regionaler Anbieter wählen. Hier entfallen lange Transportwege. Achten Sie auf Angaben zum Abfüllort.
- Kleine Verpackungsgrößen meiden: Sie haben einen höheren Verpackungsaufwand je Liter Inhalt. Wählen Sie die größtmögliche Einheit, die Sie auch verzehren können.
- Mehrwegflaschen schonend behandeln und nicht zweckentfremden, zum Beispiel keine anderen Flüssigkeiten darin abfüllen. Nur so ist eine hohe Umlaufhäufigkeit erreichbar.
- Bepfandete Getränkeflaschen im Handel abgeben. Für Mehrweg gibt es keine generelle Rücknahmeverpflichtung. Händler erstatten in der Regel das Pfand für die Flaschen, die sie im Sortiment führen. Bei Einweg ist die Rücknahme gesetzlich geregelt: Händler, die pfandpflichtige PET-Einwegflaschen verkaufen, müssen solche auch von anderen Anbietern zurücknehmen. Ausgenommen sind Geschäfte mit einer Verkaufsfläche unter 200 Quadratmetern.
- Unbepfandete PET-Flaschen, Tetrapak oder Schlauchbeutel über den Gelben Sack entsorgen, Einwegglasflaschen gehören in den Altglascontainer.
Weiterführende Informationen:
BMBF: Plastik in der Umwelt
DaNa: Nanoplastik in der Umwelt
Wie reagieren Zellen auf Mikro- und Nanoplastik https://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2022/27/wie_reagieren_zellen_auf_mikro__und_nanoplastik_-302267.html
Uni Leipzig: Wie Nanoplastik den Stoffwechsel beeinflussen kann
ZDF: Mikroplastik: Forscher fordern Transparenz