Verbraucherrecht

05.05.2020, Verbrauchertipp

COVID-19: Aktuelles Reiserecht

Verbraucher*innen, die eine Reise gebucht haben und diese wegen der Corona-Krise nicht antreten, sind verunsichert: Ist eine Stornierung möglich und wenn ja, wer nimmt sie vor und welche Gebühren fallen gegebenenfalls an? Dieser Beitrag bietet Ratsuchenden Orientierung.
COVID-19: Aktuelles ReiserechtFoto: © TOPIC - stock.adobe.com

Zunächst gilt: Eine Stornierung seitens der Verbraucher*innen ist grundsätzlich immer möglich. Niemand kann Sie zwingen, eine Reise anzutreten. Ob dabei Gebühren anfallen, hängt unter anderem von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ab, die dem Reisevertrag zugrunde liegen.
 
In den meisten Fällen stellt sich ein Blick in die AGB wie folgt dar: Je kurzfristiger die Stornierung, desto höher die Stornierungsgebühren. Dies ist auch grundsätzlich rechtens, da der Veranstalter im Zuge der Planung und Vorbereitung Ausgaben hat und umso schutzwürdiger ist, je näher die Reise kommt.

Was ist bei Pauschalreisen zu beachten?

Eine Pauschalreise liegt vor, wenn Sie mindestens zwei verschiedene Reiseleistungen für dieselbe Reise bei einem Veranstalter gebucht haben, zum Beispiel Flug und Hotel. Eine solche Reise können Sie insbesondere dann kostenlos stornieren, wenn am Bestimmungsort unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise unmöglich machen oder erheblich beeinträchtigen (§ 651 h III BGB). Nach dem Gesetz sind Umstände dann unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären. Aufgrund der mittlerweile bis 14.06.2020 geltenden weltweiten Reisewarnung, ist aktuell von solchen Umständen auszugehen, da sich beinahe jedes Land im Ausnahmezustand befindet. Reisen, die in diesen Zeitraum fallen, können Sie also kostenlos stornieren.
 
Laut dem Rechtsgutachten des Reiserechtsexpertin Prof. Klaus Tonner, sollen Pauschalreisen ins Ausland unabhängig von einer etwaigen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bis Ende August kostenlos stornierbar sein. Tonner bezieht sich hierbei auf die Aussagen hochrangiger Politiker, wonach ein Urlaub im Ausland bis Ende August nicht möglich sein soll.
https://www.vzbv.de/pressemitteilung/pauschalreisen-kostenlos-stornieren-können
Auch wenn Verbraucherschützer dieses Gutachten sehr begrüßen, bleibt abzuwarten, ob dies vor Gericht Bestand hätte.
Sagt der Veranstalter die Reise von sich aus ab, liegt ein Reisemangel vor und der Reisepreis ist dem Kunden restlos zu erstatten.

Müssen Gutscheine akzeptiert werden?

Damit die ohnehin schon gebeutelte Reisebranche eine Chance hat, sich zu erholen, sollten Verbraucher*innen die Alternativen zu einer Erstattung des Reisepreises zumindest in Betracht ziehen. Umbuchungen sollten jedoch mit der gebotenen Vorsicht in Hinblick auf die nur schlecht absehbaren Entwicklungen vorgenommen werden. Gutscheine müssen nach aktueller Rechtslage zwar noch nicht akzeptiert werden, sind jedoch eine Möglichkeit, den Reiseveranstaltern die Liquidität zu erhalten. Tipp: Achten Sie darauf, dass die Gutscheine lange genug gültig und ggf. auch übertragbar sind. Der VerbraucherService Bayern fordert in diesem Zusammenhang einen Insolvenzschutz für derartige Gutscheine, der kulante Verbraucher*innen absichert.

Sonderfälle und rechtliche Unklarheiten

Nicht abschließend geklärt sind die Fälle , dass Verbraucher*innen die Reise von sich aus – unter Übernahme der entsprechenden Gebühren – storniert haben und wenig später die weltweite Reisewarnung für den entsprechenden Reisezeitraum erging, bzw. der Veranstalter die Reise selbst absagt.
Ob die Betroffenen die Stornierungsgebühren nachträglich zurückfordern können, ist rechtlich ungeklärt.
Einerseits ist mit der Stornierung jegliche vertragliche Beziehung zwischen Verbraucher*innen und Veranstalter beendet, sodass es für eine Erstattung keine vertragliche Grundlage gibt. Andererseits bereichert sich der Veranstalter, vor dem Hintergrund, dass er die Reise sowieso hätte absagen müssen, in ungerechtfertigter. Wie die Gerichte über solche Fälle entscheiden, bleibt abzuwarten.

Wer blufft am besten?

In Bezug auf Reisen, die nach dem Ende der weltweiten Reisewarnung anstehen, ergibt sich momentan ein regelrechtes Pokerspiel frei nach dem Motto „Wer zuerst storniert verliert. “Stornieren Verbraucher*innen frühzeitig aus Angst vor COVID-19, bleiben sie womöglich auf den (noch moderaten) Stornierungsgebühren sitzen. Warten sie jedoch ab, in der Annahme, dass die Reisewarnung verlängert wird und/oder der Veranstalter die Reise seinerseits cancelt, sind sie davon abhängig, wie sich die Situation weiterhin entwickelt. Sagt der Veranstalter ab, zahlen Verbraucher*innen nichts. Gilt zum Zeitpunkt der Reise (noch) eine Warnung des Auswärtigen Amtes, können sie womöglich kostenfrei stornieren. Ist weder das eine noch das andere gegeben, besteht entweder die Möglichkeit, die Reise anzutreten oder unter sehr hohen Gebühren (bis hin zum vollen Reisepreis) abzusagen.

Was ist bei Individualreisen zu beachten?

Bei Individualreisen, wo also jede Leistung einzeln gebucht wurde, verhält es sich ähnlich wie bei Pauschalreisen, nur dass die oben genannte Gesetzesnorm in Bezug auf die unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände nicht direkt anwendbar ist.
Es gilt: Wenn der Veranstalter absagt, müssen Verbraucher*innen nicht bezahlen. Stornierungen sollten aufgrund der Reisewarnung ebenfalls kostenfrei sein. Kontaktieren Sie dazu unbedingt das entsprechende Unternehmen.
Flüge: Leitlinie der EU-Kommission
Am 18. März 2020 legte die EU-Kommission die folgenden Leitlinien zum Reiserecht in der Corona-Krise vor:
Fluggesellschaften, die Flüge streichen, sind verpflichtet, den Betroffenen die Wahl zwischen folgenden drei Optionen anzubieten:
a) Erstattung
b) Anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt
c) Anderweitige Beförderung zu einem späteren, vom Fluggast gewählten Zeitpunkt

Wählen Sie eine anderweitige Beförderung, ist mit erheblichen Verzögerungen zu rechnen. In diesem Fall ist das jeweilige Luftfahrtunternehmen verpflichtet, den Betroffenen kostenlose Mahlzeiten, Erfrischungen und Hotelunterkünfte zur Verfügung zu stellen. Sofern ihr Flug weniger als zwei Wochen vor Abflugdatum annulliert wird, hätten Sie als Verbraucher*in im Normalfall sogar einen Entschädigungsanspruch. Da aufgrund des Corona-Virus von sogenannten "außergewöhnlichen Umstände" auszugehen ist, greifen solche Regelungen – fairerweise – momentan nicht.

Rückholung aus dem Ausland

Die Reisewarnung dient in erster Linie der Verlangsamung der Ausbreitung von COVID-19.
Zudem wird damit verhindert, dass Bundesbürger weiterhin ins Ausland verreisen und dann aufgrund von Grenzsperrungen und abgesagten Flügen dort festsitzen. Wer im Ausland ist, hat die Möglichkeit, sich unter folgendem Link des Auswärtigen Amtes zu registrieren, um so eine Rückholung in die Wege zu leiten: www.rueckholprogramm.de
Alle wichtigen Informationen zur Rückholung finden Sie hier: www.auswaertiges-amt.de

Reisen mit der Bahn

Auch die Deutsche Bahn hat für alle bis einschließlich 13. März 2020 gekauften Tickets für Reisen zwischen dem 13. März und 30. April 2020 umfassende Kulanzregelungen eingerichtet. Alle Infos hierzu finden Sie unter www.bahn.de
Neben der Erstattung von Ticketpreisen bietet die Bahn auch einen nachträglichen Rabatt auf BahnCards an, die vor dem 14.03.2020 erworben wurden: https://www.bahn.de/p/view/home/info/bahncard-kulanz.shtml
Weiterführende Informationen:
Auf der Seite des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland finden Sie ebenfalls aktuelle Informationen rund um das Thema Reiserecht und Corona: www.evz.de