Verbraucherrecht
26.03.2019, Gefahr und Chance
Das selbstfahrende Auto
Wer sich heute über den Kauf eines neuen Autos Gedanken macht, setzt sich nicht nur mit Fragen des Preises und der PS auseinander. Auch die Antriebsart spielt eine Rolle und in jedem Fall sollten potentielle Käufer darüber nachdenken, wie viele Elemente des automatisierten Fahrens ihr Fahrzeug enthalten soll bzw. darf.
Das Marktvolumen von autonomen Fahrfunktionen und Fahrassistenzsystemen belief sich in 2016 auf rund 8 Milliarden US-Dollar und wird für 2025 auf ca. 26 Milliarden Euro prognostiziert. Ein Markt mit enormem Wachstumspotential also. (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/468552/umfrage/marktvolumen-von-autonomen-fahrfunktionen/)
Durch den niederbayerischen Kurort Bad Birnbach fährt bereits heute ein selbstfahrender Bus. Vielerorts testen Hersteller autonome Fahrzeuge unter unterschiedlichen Bedingungen. Verkehrsminister Andreas Scheuer kündigt für Frühjahr dieses Jahres ein Gesetz zum autonomen Fahren an. Bislang finden sich bereits einige Regelungen zum hoch- und vollautomatisierten Fahren im Straßenverkehrsgesetz.
All das zeigt: es handelt sich beim selbstfahrenden Auto nicht um eine Science Fiction–artige Zukunftsversion, sondern um absehbare Realität.
Die Einführung des autonomen Fahrens erschwert sich durch die unterschiedlichen Zeithorizonte von Automobilherstellern und den Stellen, die für die passende Infrastruktur sorgen wie zum Beispiel Straßenverkehrsämter und städtische Planungsreferate. Straßenschilder, Ampeln und sonstige Signalanlagen gilt es so zu programmieren, dass eine Korrespondenz mit dem autonomen Fahrzeug möglich ist. Außerdem bedarf es einer flächendeckenden Echtzeitnavigation. Deswegen ist zu erwarten, dass das autonome Fahren zunächst auf der Autobahn stattfindet.
Nachteile des autonomen Fahrens: Hacker, Datenschutz, Jobverlust
Die Gefahr eines Hacker-Angriffs auf internetbasierte Formen des Fahrzeugs oder gar auf sogenannte Over-the-Air-Updates ist eine große Gefahr. Aber auch kleinere Probleme sind absehbar, z.B. könnten die Hersteller bei Zahlungsverzug des Kunden das Aufladen der Akkumulatoren verhindern, so dass das Fahren des Autos nicht mehr möglich ist.
Das automatisierte Fahren sorgt in seiner Entwicklung womöglich für einige Jobverluste. So sinkt vermutlich zum Beispiel der Bedarf an Berufskraftfahrern und Raststätten-Betreibern deutlich.
Vorteile des autonomen Fahrens
- Car Sharing, keine Staus, keine Parkplatzsuche
Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 15 Jahren steht das privat gekaufte Auto rund 95% seiner Zeit auf Parkplätzen, in Parkhäusern und Garagen. Das autonome Fahren setzt deswegen verstärkt auf das Prinzip des Car-Sharing (Schlagwort: Zero Ownership). Hierbei spielen nicht nur die bereits bekannten Car Sharing Modelle, wie Car2Go oder DriveNow, bei denen ein zentraler Betreiber das Ganze organisiert, eine Rolle, sondern auch das sogenannten Peer-to-Peer-Car Sharing, bei dem private Autoeigentümer ihr Auto auch anderen zugänglich machen.
Ein komplett autonomer Verkehr könnte permanent fließend konzipiert werden. Das bedeutet: keine Staus mehr, keine lästige Parkplatzsuche. Allein dadurch würden wir eine beträchtliche Menge an Emissionen vermeiden. Grundsätzlich setzen die Hersteller bei der Entwicklung des autonomen Fahrens auf E-Mobilität.
- Weniger Unfälle
In den USA gab es bereits zwei tödliche Unfälle mit selbstfahrenden Autos. 2016 starb der „Fahrer“ beim Test eines selbstfahrenden Autos von Tesla bei der Kollision mit einem LKW. 2018 kam es zum tödlichen Unfall einer Passantin, die von einem selbstfahrenden Uber-Auto überfahren wurde, da das System sie nicht als Person identifiziert hat.
Trotz dieser Negativbeispiele sind sich die Experten einig, dass sich Unfälle bei komplett autonomem Fahren um rund 80% reduzieren. Dies bedeutet weniger Todesopfer und Verletzte im Straßenverkehr und damit ein deutliches Plus an Sicherheit.
- Mobilität für Alte und Kranke, Komfort für Pendler
Ein weiterer Vorteil des autonomen Fahrens: Es ermöglicht die Mobilität von Personengruppen, die ansonsten sehr eingeschränkt sind, wie z.B. Minderjährige, Senioren oder Menschen mit einer Behinderung.
Autonom fahrende Pendler haben die Möglichkeiten, die regelmäßige Zeit im Auto stressfreier zu verbringen und effizienter zu nutzen.
Haftung – was passiert, wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall verursacht?
Nach derzeitiger Rechtslage besteht im Straßenverkehr eine verschuldensunabhängige Haftung des Fahrzeughalters und die Haftung des Fahrers für vom ihm verursachte Verkehrsunfälle.
Während das Fahrzeug autonom fährt, ist bei hoch- und vollautomatisiertem Fahren grundsätzlich erst einmal der Hersteller in der Haftung, es sei denn, der Fahrzeugführer hat eine Aufforderung des Systems, das Fahrzeug wieder zu übernehmen, ignoriert. Doch wie viel Zeit hat er dazu?
§1b) Abs.2 StVG erwartet in seiner derzeitigen Fassung vom Fahrzeugführer, die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen, wenn…
1. das hoch- oder vollautomatisierte System ihn dazu auffordert oder
2. er erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen.
Diese Regelung ist wenig befriedigend. Aus Sicht des VerbraucherService Bayern im KDFB e.V. (VSB) müssen bei Unfällen, die autonom fahrende Autos verursachen, die Hersteller haften. Den Fahrer gibt es beim fahrerlosen Fahren ja nicht mehr und während der Halter heutzutage noch für den Zustand des Wagens verantwortlich ist, so sind die Einflussmöglichkeiten beim selbstfahrenden Auto deutlich geringer.
Es ist davon auszugehen, dass die Hersteller, wenn sie in der Haftung wären, ein wirtschaftliches Eigeninteresse an der Herstellung möglichst guter und unfallvermeidender Fahrzeuge und Software hätten und sich bemühen, diese auf dem aktuellen Stand zu halten. Zudem gäbe es keine Deckungslücken beim Versicherungsschutz mehr.
Schwierigkeit Datenschutz
Um einen reibungslosen autonomen Verkehr zu gewährleisten, ist eine enorme Menge an Daten zu sammeln. Auf Grund der eindeutigen Identifizierbarkeit vermittels Fahrzeugkennung und Kraftfahrzeugkennzeichen gelten diese Daten grundsätzlich als personenbezogen.
Sie sind insbesondere deswegen interessant, weil es sich um Standortdaten handelt, welche man in der Regel über einen längeren Zeitraum hinweg sammelt als beispielsweise die Daten bei einem Smartphone.
An der Speicherung von Umgebungsdaten, fahrzeugbezogene Daten und kundenbezogene Daten hat eine große Zahl von Akteuren potentielles Interesse: Der Fahrer, der Halter, Mitfahrer, andere Verkehrsteilnehmer, Automobilhersteller, Vertragshändler, Vertragswerkstätten, Anbieter von KFZ-Versicherungen, Navigationsdienste und sonstige App-Anbieter, Werbeunternehmen, aber natürlich auch Behörden, Gerichte und die Polizei. Damit stellt sich die Frage, wo die Daten zu speichern sind, damit die Regulierung von Zugriffsrechten möglich ist. Soll die Datenspeicherung beim Hersteller erfolgen oder dezentral im Auto oder vielleicht auf einer autonomen Plattform? Muss es einen Datensammelausschaltknopf geben – geht das überhaupt?
Die komplette Datenspeicherung beim Hersteller könnte zu einem anderen Problem führen: Dem sog. Lock-In-Effekt. Dies sind Wechselbarrieren, die einen theoretisch möglichen Wechsel zu einem anderen Anbieter auf Grund von ökonomischen Hindernissen faktisch unmöglich machen. Wichtig ist es deswegen, Datenportabilität zu gewährleisten.
Idee Datenschutzplakette
Aus Sicht der Verbraucherschützer sollte die Prüfung der Datensicherheit eines KFZ künftig bereits bei dessen Zulassung erfolgen und zudem Gegenstand jeder Hauptuntersuchung sein. Eine Datenschutzplakette könnte künftig bereits beim Kauf aufzeigen, wie gut die Daten beim jeweiligen KFZ gesichert sind.
Die in der Datenschutzgrundverordnung verankerten Grundsätze von Privacy by Design und Privacy by Default gilt es, effektiv zur Anwendung zu bringen. Das bedeutet, dass der Datenschutz bei der Entwicklung des KFZ bereits mitgedacht wird und dass stets die datenschutzfreundlichste Voreinstellung zu wählen ist. Der Verbraucher hat die Möglichkeit auf Wunsch weitere Daten selbst freizugeben.
Dilemma-Situationen
Wie geht das selbstfahrende Auto mit sogenannten Dilemma-Situationen um? Es entsteht eine Gefahrensituation im Straßenverkehr, bei der entweder ein Kind, dass einem Ball hinterher auf die Straße läuft, vom autonomen Wagen erfasst werden wird oder die ältere Dame, die sich von der anderen Straßenseite aus anschickt, mit ihrem Rollator die Fahrbahnen zu überqueren. Die Verletzung welches Fußgängers nimmt das selbstfahrende Auto im Zweifelsfall in Kauf und wer programmiert die entsprechenden Algorithmen?
Wer bei der Beantwortung dieser Fragen mitreden möchte, muss sich jetzt mit diesen Themen auseinandersetzen.