Verbraucherrecht

07.06.2023

Neue EU-Verordnung schränkt Rechte von Bahnreisenden teilweise ein

Der Blick auf die Anzeigetafel am Bahnhof zeigt 60 Minuten Verspätung an. Viele Bahnkund*innen haben häufig mit solchen Problemen zu kämpfen. Dieser Artikel informiert darüber, welche Rechte Verbraucher*innen haben und welche Änderungen die neue EU-Verordnung bringt, die im Juni in Kraft tritt.

Bahn-Anzeigetafel ZugverspätungFoto: © pusteflower9024 - stock.adobe.com
Entschädigung bei Zugverspätung gibt es nicht mehr uneingeschränkt.

Außergewöhnliche Umstände spielen ab jetzt eine Rolle

Hat ein Zug mehr als eine Stunde Verspätung, so konnten die Reisenden bisher 25 Prozent des Reisepreises zurückverlangen, bei einer Verspätung von mehr als 2 Stunden lag der Erstattungsanspruch sogar bei 50 Prozent des Fahrpreises.

Dies gilt nun nicht mehr uneingeschränkt. Am 07. Juni 2023 trat die Neufassung der EU-Verordnung „über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr“ (2021/782) in Kraft. Fortan spielen auch die Umstände der Verspätung eine Rolle.

Höhere Gewalt kann künftig einen Ersatzanspruch des Reisenden ausschließen. Zu solchen außergewöhnlichen Umständen zählen extreme Witterungsverhältnisse oder Personen auf den Gleisen. Streiks des Personals hingehen stellen keine außergewöhnlichen Umstände dar.

Es ist zu befürchten, dass es häufig zu Auseinandersetzungen darüber kommen wird, ob ein außergewöhnlicher Umstand gegeben ist oder nicht. Schließlich lässt sich gerade über das Wetter trefflich streiten. Zudem besteht auch die Gefahr, dass Verbraucher*innen im Zweifelsfall gleich von vornherein auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche verzichten.

Hotelübernachtungen

Auch in Zukunft wird die Bahn bei einer Verspätung von 60 Minuten und mehr und bei Zugausfällen für Erfrischungen und gegebenenfalls Mahlzeiten sorgen, beides in einem angemessenen Umfang unter Berücksichtigung der Dauer der Verspätung.
Eine Hotelunterbringung, wenn kein weiterer Zug am selben Tag mehr fahren wird, ist nach wie vor erstattbar. Der Betrag ist auf 80 Euro pro Nacht gedeckelt. Neu hinzugekommen ist eine Begrenzung auf maximal drei Nächte.

Weiterreisemöglichkeiten

Wird Bahnreisenden nicht innerhalb von 100 Minuten nach der planmäßigen Abfahrtszeit eines verspäteten oder ausgefallen Zuges eine alternative Weiterreisemöglichkeit angeboten, haben sie das Recht, sich selbst um die Weiterreise zu kümmern und im Nachhinein Erstattung zu verlangen. Seit dem 07. Juni 2023 kann dafür auch ein anderer Anbieter gewählt werden.  

Allerdings beschränkt sich die Umbuchungsmöglichkeit auf Busse und Bahnen „öffentlicher Verkehrsdienste“. Flugzeug oder Mietwagen kommen als Alternative nicht in Betracht.

Besser mit Durchgangsfahrkarten

Wenn Verbraucher*innen eine Reise mit mehreren Anschlüssen oder mehreren Fahrkarten innerhalb einer Transaktion buchen, gilt dies als sogenannte Durchgangsfahrkarte. Den Fahrgästen stehen im Bedarfsfall die normalen Fahrgastrechte zu. Werden die Fahrkarten einzeln gekauft, so gelten etwaige Ansprüche immer nur bezogen auf das jeweilige Ticket.

Besonders aufpassen sollten Reisende, da manche Anbieter in ihren AGB darauf hinweisen, dass es sich bei den einzelnen Reiseleistungen um getrennte Beförderungsverträge handelt. Auch wenn Teilstrecken der Reise im Ausland stattfinden, wird in der Regel keine Durchgangsfahrkarte ausgestellt.

Kürzere Beschwerdefrist

Eine Beschwerde muss künftig innerhalb von drei Monaten nach dem Vorfall eingereicht werden. Bislang lag die Frist bei einem Jahr. (Beschwerde einreichen geht über die App DB-Navigator, über bahn.de oder über das Fahrgastrechteformular, abzuholen am Schalter oder anzufordern über Servicecenter Fahrgastrechte 60617 Frankfurt am Main.)

Auf Grund der Möglichkeit, die Beschwerde auch online zu erheben, machten im vergangenen Jahr deutlich mehr Reisende ihre Erstattungsansprüche geltend als je zuvor. Wenn schon kürzere Beschwerdefristen, wäre es konsequent, auch die Fristen für die Erstattung der Entschädigung zu senken, z.B. von den derzeitigen 30 Tagen auf 7 Tage.

Zusätzliche Regelungen in der deutschen EVO

Da es sich bei der neugefassten EU-Verordnung um eine Mindestharmonisierung handelt, gibt es zusätzlich noch eine paar Regelungen, welche nur in Deutschland in der Eisenbahnverkehrsordnung (EVO) getroffen worden sind. Bei einer Ankunftszeit zwischen 0 Uhr und 5 Uhr morgens und einer absehbaren Verspätung von mindestens einer Stunde können Fahrgäste auch auf ein anderes Verkehrsmittel umbuchen.

Wird eine Verspätung am Zielbahnhof – unabhängig von der Tages- oder Nachtzeit – absehbar mehr als 20 Minuten betragen, so können Verbraucher*innen auf einen höherwertigen Zug umbuchen. Ein solcher darf aber nicht reservierungspflichtig sein.

Fazit

Es ist zu erwarten, dass die neue EU-Verordnung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr der Bahn mehr Möglichkeiten bieten wird, Erstattungsansprüche auszuschließen. Dies mindert den Anreiz für die Bahn, Fahrten zuverlässig und pünktlich anzubieten. Dies ist gerade auch in Bezug auf den Klimaschutz ein falsches Signal.