Verbraucherrecht

12.09.2022

Neues Telekommunikationsgesetz stärkt Verbraucherrechte

Seit Dezember letzten Jahres gilt die lang erwartete umfangreiche Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Doch welche Änderungen sich daraus ergeben, ist den Verbraucher*innen häufig unklar. Wie hat die Vertragsgestaltung von solchen Telefonie- und Internetverträgen jetzt auszusehen? Ist eine Kündigung möglich, wenn ich beispielsweise in eine Wohngemeinschaft ziehe, die bereits über einen Anschluss verfügt? Wie weise ich zu langsame Internetgeschwindigkeit dem Anbieter verbindlich nach und welche Rechte lassen sich daraus ableiten? Welche Entschädigungsansprüche stehen mir bei Entstörungen zu? Hier erhalten Sie Antworten auf diese und weitere Fragen.

Neues Telekommunikationsgesetz stärkt VerbraucherrechteFoto: © fizkes - stock.adobe.com

So sehen wirksame Verträge aus

Fast jeder erlebte diese Situation: ein Anruf eines Telekommunikationsanbieters zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, der ein unglaubliches Angebot zusichert. Entnervt in die Vorschläge eingewilligt, schlossen die Verbraucher*innen teilweise mehrere Verträge zu ungünstigen Konditionen mit einer Laufzeit von 24 Monaten ab, ohne die Möglichkeit erhalten zu haben, sich die genauen Vertragsbedingungen durchzulesen. War der Telekommunikationsanbieter geschickt und schaffte es, die Widerrufsbelehrung beispielsweise per E-Mail auszuhändigen, hatten die Betroffenen oft nur 14 Tage Zeit, den Vertrag zu widerrufen und damit kostenfrei aufzulösen. Wurde die 14-tägige Frist versäumt, waren die Angerufenen an die Verträge gebunden.

Haustürverträge waren zum Teil noch prekärer: Vereinzelt bekamen die Verbraucher*innen nicht nur vor dem Vertragsabschluss, sondern nicht einmal nach dem erfolgten Vertragsabschluss, Vertragsbedingungen ausgehändigt und waren überrascht, sobald sie die erste Rechnung erhielten.

Diese Vorgehensweisen soll das novellierte TKG in Zukunft verhindern. Seit dem 1. Dezember 2021 schreibt das Gesetz vor, dass die Endnutzer*innen jeweiliger Telekommunikationsleistungen noch vor dem Vertragsabschluss die Zusammenfassung abzuschließender Verträge zu erhalten haben. Und zwar in Textform.

Die Vertragszusammenfassung muss zwingend enthalten:

  1. Namen und die Anschrift des Anbieters;
  2. wesentliche Merkmale der einzelnen zu erbringenden Dienste;
  3. Preise für Aktivierung;
  4. alle wiederkehrenden oder verbrauchsabhängigen Entgelte;
  5. Vertragslaufzeit;
  6. Bedingungen für Vertragsbeendigung und Verlängerung;

sowie

  1. Kontakte für die möglichen Beschwerden.
  2. Bei den DSL-Verträgen muss zudem die maximale, normale und minimale Geschwindigkeit im Download- und Uploadbereich angegeben sein.

Verstöße führen zu gravierenden Rechtsfolgen

Verstoßen Telekommunikationsunternehmen gegen nur ein vorgeschriebenes Merkmal, drohen gravierende Rechtsfolgen für die Unternehmen. Die abgeschlossenen Verträge sind in der Regel als schwebend unwirksam anzusehen und von der Genehmigung des Verbrauchers abhängig. Die Genehmigung hat in diesem Fall ebenfalls in Textform zu erfolgen.

Telekommunikationsunternehmen trifft hierbei die Dokumentationspflicht sowie die Beweislast bezüglich des Zuganges der Zusammenfassung beim Kunden. Wird keine Vertragszusammenfassung in Textform vor dem Vertragsschluss zur Verfügung gestellt und die Telekommunikationsleistung durch den Kunden in Anspruch genommen, schuldet der Kunde im Falle der Genehmigungsverweigerung keinen Wertersatz für die erfolgte Nutzung.

Pflicht, Verträge mit zwölfmonatiger Laufzeit anzubieten

Telekommunikationsanbieter sind seit dem novellierten TKG außerdem dazu verpflichtet, neben einem Vertrag mit der Vertragslaufzeit von 24 Monaten, unaufgefordert einen Vertrag mit einer zwölfmonatigen Laufzeit und denselben Leistungen anzubieten. Der Preis des Vertrages mit kürzerer Laufzeit darf nicht mehr als um 25 Prozent den Preis des identischen Vertrages mit längerer Laufzeit übersteigen. 

Mindestlaufzeit vorbei – endlich frei?

Das modernisierte TKG brachte ebenfalls Erleichterungen im Kündigungsbereich. Die wahrscheinlich wichtigste Änderung auf diesem Gebiet betrifft die stillschweigend verlängerbaren Telekommunikationsverträge. Jetzt brauchen die Verbraucher*innen nicht mehr zu befürchten, dass sich die Verträge automatisch um zwölf weitere Monate verlängern, soweit sie diese nicht rechtzeitig (meist drei Monate vor dem Vertragsende) ordentlich kündigen. Diese Regelung ist ebenfalls auf Altverträge anwendbar. Die monatliche Kündbarkeit nach Ablauf der Mindestlaufzeit ist auch nicht durch eine Individualabrede außer Kraft zu setzen.

Umzug als Kündigungsgrund?

Bezüglich der außerordentlichen Kündigung wurden zwei Fälle hinreichend präzisiert: Beim Umzug in eine neue Wohnung haben Verbraucher*innen jetzt die Möglichkeit, unmittelbar zum Umzugsdatum mit einer Vorlaufszeit von einem Monat zu kündigen, soweit der Anbieter seine Dienste nicht oder nicht in dem gewohnten Umfang an dem neuen Ort anbieten kann. Diese Regelung ist unter anderem auch auf solche Situationen anwendbar, in denen der Telekommunikationsanschluss an dem Umzugsort bereits durch einen anderweitigen Anbieter besetzt ist, was bei einem Einzug in die neue Partnerschaft oder Wohngemeinschaft häufig der Fall ist. Auch das Fehlen technischer Möglichkeiten zur Anschlusseinrichtung bei dem jeweiligen Anbieter stellt den beschriebenen Umstand dar. Lediglich, wenn die technischen Gegebenheiten an dem Umzugsort sich derart gestalten, dass ein Anschluss als solcher für keinen Telekommunikationsanbieter möglich ist, fällt das Leistungsrisiko in die Sphäre des Verbrauchers, sodass eine außerordentliche Kündigung nicht möglich ist.

Kündbar sind dabei die Leistungspakete insgesamt, sofern der Telekommunikationsanbieter eine der Leistungen nach dem Umzug nicht mehr erbringen kann.

Mobilfunkverträge sind bei einer Wohnsitzverlegung des Verbrauchers ins Ausland auch dann außerordentlich kündbar, wenn der Mobilfunkanbieter die Verbindungen vor Ort gewährleisen könnte.

Zu langsames Internet – ein Beendigungsgrund?

Zweiter geschriebener Kündigungsgrund in dem novellierten TKG, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist die nicht erbrachte vertraglich zugesicherte Internetgeschwindigkeit. Vermuten Sie, dass die Ihnen vertraglich zugesicherte Internetgeschwindigkeit tatsächlich unterschritten wird, empfehlen wir über die kostenfreie App der Bundesnetzagentur Messungen durchzuführen. Eine fristlose Kündigung ist möglich, wenn die durchgeführten Messungen folgendes ergeben:

  • Dass nicht an mindestens zwei von drei Messtagen jeweils mindestens einmal 90 Prozent der vertraglich vereinbarten maximalen Geschwindigkeit erreicht wurden.

Oder:

  • Dass die normalerweise zur Verfügung stehende Geschwindigkeit nicht in 90 Prozent der Messungen erreicht wurde.

Oder:

  • Dass an mindestens zwei von drei Messtagen jeweils mindestens einmal die minimale Geschwindigkeit unterschritten wurde.

Die über die App der Bundesnetzagentur ermittelten Messungen sind ein gültiges und vor den Gerichten anerkanntes Beweismittel. Vor der Abgabe der Kündigungserklärung sind Sie verpflichtet, dem Unternehmen unter der Fristsetzung die Möglichkeit einzuräumen, die Mängel der Geschwindigkeit zu beheben.

Durchführung der Messungen

Damit die Messungen als gültiges Beweismittel gelten, sind sie folgendermaßen durchzuführen:

  1. Es müssen 30 Messungen an drei unterschiedlichen Kalendertagen sein,

+

  1. verteilt auf zehn Messungen pro Kalendertag, innerhalb eines Zeitraums von maximal 14 Kalendertagen.

+

  1. Zwischen den einzelnen Messtagen ist jeweils ein zeitlicher Abstand von mindestens einem Kalendertag

+

  1. zwischen der fünften und sechsten Messung eines Messtages ein Abstand von mindestens drei Stunden

+

  1. zwischen allen anderen Messungen eines Messtages ein Abstand von mindestens fünf Minuten einzuhalten.

Weitere Informationen zu der Durchführung von Messungen entnehmen Sie der Homepage der Bundesnetzagentur:
https://breitbandmessung.de/

Gibt es gesetzlich garantierte Mindestgeschwindigkeiten?

Nach der konkretisierenden Verordnung zum TKG, die am 14. Juni 2022 in Kraft trat, müssen die Anbieter bei der Internetgeschwindigkeit zwingend mindestens 10 Mbit/s im Downloadbereich und 1,7 Mbit/s im Uploadbereich gewährleisten.

Sind Ihnen vertraglich geringere Geschwindigkeiten zugesichert worden, können Sie Ihren Anbieter zunächst zur Geschwindigkeitsanpassung unter Fristsetzung auffordern. Verstreicht die gesetzte Frist erfolglos, dürfen Sie außerordentlich kündigen.

Entschädigung bei Totalausfall

Treten die beschriebenen Geschwindigkeitsunterschreitungen auf, haben Sie die Möglichkeit, statt einer Kündigung ebenfalls eine Minderung des Preises auszusprechen. Diese können Sie ist ab Feststellung der abweichenden Ergebnisse geltend machen. Der Anspruch auf Minderung endet dann ab der Behebung der Abweichung durch das Unternehmen.

Im Falle eines kompletten Ausfalls der Leistung können Sie ab dem dritten und vierten Tag einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von fünf Euro oder zehn Prozent der vertraglich vereinbarten Leistung geltend machen. Ab dem fünften Tag einer gemeldeten und nicht behobenen Störung erhöht sich der pauschalierte Schadensersatz auf zehn Euro oder 20 Prozent der vertraglich vereinbarten Leistung täglich. Optional kann statt des pauschalen Schadensersatzes auch ein höherer nachgewiesener Schadensersatz geltend gemacht werden.

Fazit: Die Novellierung des TKG vereinfachte die Überprüfung und Geltendmachung der Rechte deutlich zugunsten der Verbraucher*innen.
 

Quelle:

TKG Gesetzesbegründung, BeckOnline IT- und Medienrecht, 2022, Kiparski

 

(aktualisiert am 03.04.2024)