Verbraucherrecht

16.02.2023

Strom- und Gaspreiserhöhungen: Lohnt sich ein Anbieterwechsel?

In den letzten Monaten sind in Deutschland neben den Preisen für Gas auch die Strompreise stark gestiegen. Denn ein Anteil des Stroms wird durch Gas gewonnen. Bei Preiserhöhungen durch die Energieanbieter haben Verbraucher*innen ein Sonderkündigungsrecht. Manchmal ist die Preiserhöhung aber nicht klar ersichtlich oder sogar unzulässig. Vielen Menschen stellt sich die Frage, ob ein Anbieterwechsel Sinn macht. Der VerbraucherService Bayern erläutert relevante Begriffe und erklärt, worauf es zu achten gilt.

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Aktuelle Strompreisentwicklung

Die Strompreise stiegen 2022 allerorts stetig an. Im August 2022 lag der durchschnittliche Strompreis für Haushalte bei rund 40 Cent pro Kilowattstunde und verbleibt seitdem auf hohem Niveau. Wie stark die Stromliefernden ihre Preise anheben, hängt auch davon ab, wie diese den Strom bislang beschafft haben: Anbietende, die für Monate oder Jahre im Voraus am Terminmarkt einkauften, zahlen weniger. Einige Stromlieferanten konnten so die Preise stabil halten, während andere ihre Preise verdoppelten.

Es ist daher möglich, dass Ihr aktueller Vertrag immer noch preiswert ist, obwohl der Preis gestiegen ist. Es lohnt sich daher immer, Preiserhöhungen genau zu prüfen und einen Anbieterwechsel gut zu überlegen.

Begriffe erklärt: Sondervertrag, Grundversorgung oder Ersatzversorgung

Der Grundversorger ist das Energieversorgungsunternehmen, das in Ihrem Netzgebiet vor Ort die meisten Haushaltskundinnen und -kunden mit Strom und/oder Gas beliefert – häufig die örtlichen Stadtwerke. Es ist auch dazu verpflichtet, eine Ersatzversorgung bereit zu stellen. Dies ist aber auf drei Monate befristet. Danach ist ein Energieliefervertrag abzuschließen.

Wer keinen extra geschlossenen Sondervertrag mit seinem Energieanbieter hat, fällt automatisch in die Grund- oder Ersatzversorgung. Es kann nicht passieren, dass Sie nicht mit Energie beliefert werden (mit Ausnahme der Energiesperre, die aber rechtzeitig anzukündigen ist).

Der Begriff Grundversorgung bezeichnet die Energielieferung von Strom oder Gas zu allgemeinen Preisen an Privathaushalte. Die allgemeinen Preise beim lokalen Grundversorger waren früher im Vergleich zu anderen Anbietern häufig teurer. Seit einiger Zeit ist die Grundversorgung für manche Haushalte eine günstigere Option. In den meisten Fällen sind Grundversorger verpflichtet, Haushalte in die Grundversorgung aufzunehmen. Allerdings schieben einige Grundversorger Neukunden ohne gesetzliche Grundlage in die teurere Ersatzversorgung.

Die Ersatzversorgung bezeichnet eine gesetzlich angeordnete Notversorgung. Sie greift, wenn der bisherige Anbieter plötzlich ausfällt oder sich ein Anbieterwechsel unerwartet verzögert und bedarf keines Vertragsabschlusses und keiner Kündigung. Sind Ihnen durch verschuldete Verzögerungen beim Lieferantenwechsel Kosten entstanden, haben Sie das Recht, Schadensersatz vom Netzbetreiber und dem neuen Lieferanten zu verlangen.

In der Ersatzversorgung sind höhere Kosten möglich, da der Versorger die Möglichkeit hat, die Preise zum 1. und 15. des Monats kurzfristig zu ändern. Seit Juli 2022 gilt: Drei Monate lang ist der Grundversorger nicht dazu verpflichtet, einen neuen Vertrag einzugehen. Wer innerhalb von drei Monaten jedoch keinen neuen Vertrag schließt, fällt automatisch in die Grundversorgung.

Tipp: Der Grundversorger informiert Sie über die Versorgung. Lesen Sie unbedingt den Zählerstand zeitnah ab, notieren diesen und teilen ihn dem Netzbetreiber mit, damit Ihr Verbrauch nicht geschätzt wird.

Sonderverträge sind an die vereinbarten Konditionen gebunden und haben in der Regel eine vereinbarte Laufzeit. Während dieser Zeit können Sie nur kündigen, wenn der Anbieter den Vertrag ändert, zum Beispiel durch eine Preiserhöhung, Vertragspflichten nicht erfüllt oder unter bestimmten Voraussetzungen auch beim Umzug.

Tarife – lohnt sich ein Wechsel?

Für eine aktuelle Tarifabfrage für Strom oder Gas ist es zunächst wichtig, sich über den bestehenden Tarif und die Konditionen klar zu sein: Schauen Sie in Ihre Vertragsunterlagen und die letzte Rechnung.

Wenn Sie noch einen günstigen Tarif oder bislang keine bzw. nur mäßige Preiserhöhung bekommen haben, dann bleiben Sie in Ihrem Tarif. Prüfen Sie bei einer Preiserhöhung zunächst in Ihren Unterlagen, ob Sie eine Preisgarantie haben. Diese ist einzuhalten, die Preiserhöhung wäre damit unwirksam.

Preisanpassung – nicht vorschnell kündigen

Prüfen Sie, ob eine Preisanpassung erlaubt ist: Grundversorger dürfen erhöhen, wenn bestimmte Kosten, auf die sie keinen Einfluss haben, ansteigen (z.B. EEG-Umlage, Netzentgelte, Netznutzungsgebühren, Stromsteuer). Sonderverträge müssen eine Preisänderung in den AGBs des Vertrages wirksam eingebunden haben. Grundsätzlich erhalten Sie rechtzeitig vor der Erhöhung einen Brief (nach Ihrem Einverständnis auch eine Mail), in dem alles einfach, wahrheitsgemäß und verständlich erklärt wird (Anlass, Umfang und Voraussetzungen sowie das daraus resultierende Sonderkündigungsrecht).

Preisänderungen in der Grundversorgung sind öffentlich und sechs Wochen vor dem Termin bekannt zu machen, für Sonderversorgung genügt ein Monat. Der Anbieter ist hier beweispflichtig. Achtung, manchmal verstecken sich Preiserhöhungen in langen Schreiben, die wie Werbung gestaltet sind oder unter mit vielen Informationen überfrachteten Rechnungen.
Ist Ihnen die Ankündigung der Preiserhöhung nicht oder zu spät zugegangen, informieren Sie Ihren Anbieter darüber, nutzen Sie Ihr dadurch entstandenes Sonderkündigungsrecht bei der Sonderversorgung. Erwägen Sie auch eine Meldung bei der Bundesnetzagentur als oberster Aufsichtsbehörde. Falls Sie nicht wechseln wollen, widersprechen Sie der Preiserhöhung und zahlen diese nur unter Vorbehalt.

Auch wenn Sie eine Preiserhöhung erhalten haben, ist der bisherige Tarif unter Umständen weiterhin die beste Option. Kündigen Sie nicht vorschnell ihren Vertrag. Erwägen Sie auch, mit dem derzeitigen Anbieter zu verhandeln. Überprüfen Sie hierzu die Angebote an Neukunden und von anderen Versorgern. Bedenken Sie, dass ggf. zugesicherte Boni (z.B. über die Belieferung von einem Jahr) wegfallen könnten.

Haben Sie eine deutliche Preiserhöhung erhalten und suchen nach einem neuen Tarif, ist der Grundversorger vor Ort gegebenenfalls eine Alternative. Beziehen Sie als Übergangslösung den Grundversorgungstarif mit in Ihre Recherche ein. Wenn Sie es ausdrücklich wünschen, muss der Grundversorger Sie in die Grundversorgung aufnehmen. Das Abdrängen in die Ersatzversorgung ist unzulässig.

Anbieterwechsel – so gehts

Ein Anbieterwechsel ist zu dem Termin möglich, an dem die Erhöhung in Kraft tritt.
Zu Versorgungslücken kann es nicht kommen. Der Wechsel ist immer kostenlos und es ist kein Zugang zu Ihrer Wohnung nötig. Es empfiehlt sich aber, sowohl dem alten als auch dem neuen Lieferanten den Zählerstand zum Wechsel mitzuteilen und zu dokumentieren. Vielwechsler sollten Ihre Daten beim bisherigen Anbieter löschen lassen.

Finden Sie beim Grundversorger keinen geeigneten Tarif, können Sie zum Beispiel bei anderen Stadtwerken und Energieversorgern nach Tarifen suchen. Eine Orientierung bieten auch Vergleichsportale: Bitte beachten Sie hier allerdings, dass viele Preise nicht aktuell und nicht aufgeführt sind.

Haben Sie sich für einen Wechsel entschieden, kündigen Sie Ihren Vertrag selbst, nachweisbar (z.B. mittels Briefs mit Einschreiben) und fristgerecht. Dies ist insbesondere bei Sonderkündigungen und automatischen Vertragsverlängerungen zu empfehlen. Eine Kündigungsbestätigung sollte Ihnen kurzfristig von dem bisherigen Lieferanten zugehen, ebenso eine Schlussabrechnung bis sechs Wochen nach Lieferende. Informieren Sie den neuen Anbieter auf jeden Fall über die eigenständige Kündigung beim bisherigen Lieferanten.

Wenn Sie nur teurere Tarife finden und gezwungen sind zu wechseln, schließen Sie einen Vertrag ab, den Sie nach kurzer Zeit wieder kündigen können. Bei der Grundversorgung geht dies jederzeit mit einer Frist von zwei Wochen.

Haben Sie den neuen Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Anbieters abgeschlossen, besteht ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Hierüber muss dieser Sie in Textform vorab informieren, was normalerweise bei Vertragsabschluss, also bei Vertragsbestätigung, erfolgt.

Vergleichsportale – ein genauer Blick lohnt sich

Vergleichsportale stellen verschiedene Anbieter vermeintlich objektiv und übersichtlich gegenüber und sollen die Entscheidung für Verbraucher*innen erleichtern. Beachten Sie bei den Vergleichen,

  • dass nicht alle Anbieter vertreten sind,
  • dass nicht immer das ganz oben angezeigte Angebot oder das günstigste das Beste für Sie ist,
  • dass die angezeigten Ergebnisse nach bestimmten Kriterien gefiltert sind, die es sich zu überprüfen lohnt,
  • dass in den Vergleichsportalen manchmal sogar höhere Preise angeboten werden als bei den Anbietern selbst.

Gründe hierfür können von Unternehmen bezahlte Provisionen, hinterlegte Algorithmen für besonders lukrative Angebote sowie verdeckter Werbung sein.

Seit Mai 2022 gelten für Vergleichsportale verstärkte Informationspflichten. Neben Anbieterlisten sind unter anderem Parameter für die Rankings und Verflechtungen und Aufgabenteilung mit Anbietern offenzulegen.

Wir empfehlen Ihnen eine breite Recherche, frühestens drei Monate vor dem geplanten Wechsel, nicht nur bei verschiedenen Vergleichsportalen, sondern auch bei den verschiedenen Anbietern direkt. Beachten Sie die Voreinstellungen bei der Suche (siehe Empfehlungen der Stiftung Warentest: Stromtarif: Stromanbieter wechseln und sparen | Stiftung Warentest) und auch das Kleingedruckte der Anbieter. Rechnen Sie Boni bei der Gegenüberstellung nicht mit ein. Fallen Sie nicht auf Werbeanzeigen und selbst gestaltete Gütesiegel herein. Haben Sie sich entschieden, fertigen Sie einen Screenshot der Bedingungen an, um diese dann mit der Auftragsbestätigung zu vergleichen. Dies hilft Unstimmigkeiten zu beseitigen.

Wir fordern deshalb in unserem auf der Landesdelegiertenversammlung 2022 verabschiedeten Antrag an die Politik:

„Bei Energie-Anbieterwechsel sollte der neue Anbieter dem Voranbieter den Vertrag in Textform mit einer Bevollmächtigung zur Kündigung des Altvertrages vorlegen müssen.“
Dieses Vorgehen verhindert unautorisierte Anbieterwechsel, die durch unzulässige Werbemaßnahmen zustande kommen.