Verbraucherrecht
14.10.2024
Verbraucherklagen: kostenlos und risikofrei zur Wehr setzen
Es gibt in Deutschland die Möglichkeit für Verbraucher*innen, sich innerhalb einer Musterfeststellungs- oder Sammelklage kostenlos gegen Unternehmen rechtlich zur Wehr zu setzen. Klageberechtigt sind keine Einzelpersonen, sondern nur bestimmte qualifizierte Einrichtungen, wie registrierte Verbraucherschutzvereine. Voraussetzung: mindestens 50 Verbraucher*innen sind betroffen.
Die Vorteile sind, dass die Ansprüche während des laufenden Verfahrens nicht verjähren. Auch sind die Verfahren für die Verbraucher*innen kostenlos. Es besteht kein Risiko die Prozesskosten zu tragen, was insbesondere für Personen ohne Rechtsschutzversicherung wichtig ist.
Die Musterfeststellungs- und Sammelklage erweitern den Handlungsspielraum der Geschädigten. Jeder kann entscheiden, ob er nach einer zivilrechtlichen Rechtsverletzung selbst eine eigene Klage gegen ein Unternehmen erheben will oder ob er sich der gemeinsamen Klage anschließt, um gemeinsam mit anderen Betroffenen wichtige Anspruchsgrundlagen klären zu lassen oder direkt geltend gemachte Ansprüche einzufordern. Schließen sich viele zusammen, lohnt sich auch bei geringen Summen eine Klage.
Beispiel: Ein Energieunternehmen hat die Gas- oder Strompreise erhöht. Der Kunde hat das Gefühl, dies ist nicht rechtens – es geht jedoch nur um kleine Summen, eine Klage wäre für den einzelnen Betroffenen zu aufwendig. Handelt es sich jedoch um eine generell fehlerhafte Abrechnungspraxis, die eine größere Anzahl von Kunden betrifft, wäre trotz des jeweils geringen Streitwertes eine Sammelklage sinnvoll. Sie würde den Einzelnen genauso wie allen anderen Geschädigten nutzen und zudem das Unternehmen zu einer rechtmäßigen Abrechnung verpflichten.
Ablauf von Musterfeststellungs- und Sammelklagen
Die Betroffenen tragen sich zunächst ins Klageregister des Bundesamtes der Justiz online ein. Nach Klagerhebung führt das Gericht das Verfahren, erhebt Beweise und informiert durch Veröffentlichung im Klageregister über den Ausgang des Falls. Innerhalb des Verfahrens hat der einzelne Betroffene relativ geringe Mitwirkungsrechte. Er wird über die Klageschrift und über den Ausgang des Verfahrens informiert.
Vergleichsgespräche zwischen den Parteien sollen anschließend zur Einigung führen. Kommt es zum Vergleich, haben Verbraucher*innen die Möglichkeit, innerhalb einer Frist zu entscheiden, ob sie den Vergleich annehmen oder nicht. Kommt es zu keiner Einigung, erlässt das Gericht ein Urteil. Der Vergleich oder das Urteil wird öffentlich bekannt gemacht.
Schließlich erfolgt die Erfüllung des Urteils. Ein vom Gericht bestimmter Sachverwalter regelt die weitere Organisation und veranlasst die Zahlungen an die einzelnen Kläger. Hierzu wird vom Sachverwalter ein Umsetzungsfonds eingerichtet.
Die Musterfeststellungklage – Erlass eines Feststellungsurteils
Die Musterfeststellungklage wurde am 1. November 2018 eingeführt. Ziel der Musterfeststellungsklage ist der Erlass eines Feststellungsurteils für den jeweiligen Sachverhalt, nicht die Geltendmachung von Ansprüchen. Nach der Musterfeststellung haben Kläger die Möglichkeit, selbst auf Schadensersatz zu klagen.
Ein bedeutendes Beispiel für das Modell der Musterfeststellungsklagen in Deutschland war die VW-Abgasaffäre. Stefanie Sperber, Volljuristin beim VerbraucherService Bayern, hat selbst an diesen Verfahren teilgenommen, da sie einen Skoda hatte, der von den Abgasmanipulationen betroffen war. Laut Sperber war es sehr einfach. Sie hatte sich online in das Klageregister eingetragen, dann dem gerichtlichen Vergleich zugestimmt und wie die anderen Beteiligten fünf Prozent des Kaufpreises von VW erstattet bekommen. Gleichzeitig hat sie sich die Kosten einer eigenen Klage erspart.
Die Sammelklage – Entschädigung für Verbraucher*innen
Die Sammelklage gibt es erst seit Oktober 2023. Mit Einführung der Sammelklage können Verbraucherverbände nun bei Massenschäden direkt auf Entschädigung für Verbraucher*innen klagen. Zum Beispiel wenn viele Geschädigte zu hohe Mitgliedsbeiträge oder nicht gerechtfertigte Inkassogebühren gezahlt haben. Der große Vorteil für Betroffene ist, dass ein Verband das Verfahren für alle durchführt. Verbraucher*innen müssen nicht einzeln gegen Unternehmen oder große Konzerne klagen, sondern können sich der Klage eines Verbraucherverbandes anschließen. Die Sammelklage ist für Beteiligte kostenlos und risikoarm.
Der große Vorteil im Vergleich zur bisherigen Musterfeststellungsklage ist, dass ein Anspruch auf Entschädigung mit der Verbandsklage nicht nur festgestellt werden kann, sondern, dass Geschädigte direkt eine Entschädigung erhalten.
Ein aktuelles Beispiel für eine laufende Sammelklage ist die gegen Vodafone. 2023 erhöhte Vodafone während der Vertragslaufzeit die Preise für Festnetz- und Internetkunden um fünf Euro ohne rechtliche Grundlage und ohne die Verbraucher*innen zu informieren. Betroffene Vodafone Kunden können sich hier Alle Fragen zur Klage gegen Vodafone | Sammelklagen informieren und gegebenenfalls an der Sammelklage teilnehmen.
Entschiedene Sammelklagen gegen Primastrom, Voxenergie und Nowenergy
Bereits entschieden wurde die Sammelklage gegen die Energieanbieter Primastrom, Voxenergie und Nowenergy. Diese sorgten in der Vergangenheit bei vielen Kunden für Ärger. Die Unternehmen erhöhten eigenmächtig die Preise für Strom und Gas – häufig ohne die Zustimmung der Verbraucher*innen.
Zudem weigerten sich die Anbieter, fristgerecht eingereichte Widerrufe und Kündigungen anzuerkennen, was dazu führte, dass Kunden trotz Widerrufen oder Kündigungserklärungen weiterhin an die Verträge gebunden blieben. In einigen Fällen wurden Vertragslaufzeiten unzulässig verlängert, wodurch Kunden deutlich länger als ursprünglich vorgesehen höhere Preise zahlen sollten. Es wurde behauptet, die Laufzeiten lägen bei mehr als vier Jahren. Diese Praktiken führten zu enormen finanziellen Belastungen für die Betroffenen, die oft weit über dem Marktdurchschnitt liegende Energiekosten zahlen sollten.
Inzwischen wurde hier ein gerichtlicher Vergleich geschlossen. Durch den Vergleich kommen Kunden schneller aus ihren Verträgen und erhalten günstigere Energietarife als zuvor – auch rückwirkend. Die Preise für Strom oder Gas können sich je nach Fall mehr als halbieren.
Verbraucher*innen, die betroffene Kunden von Primastrom, Voxenergie und Nowenergy sind und von dem Vergleich profitieren wollen, müssen sich bis zum 31. Dezember 2024 an das jeweilige Unternehmen wenden. Das geht ganz einfach per E-Mail. In dieser E-Mail müssen die Verbraucher*innen die für ihren Sachverhalt relevanten Angaben machen.