Versicherungen
10.10.2024
Ab sofort Privatpatient? Vor- und Nachteile der Krankenzusatzversicherung
Privatpatienten erhalten häufig deutlich schneller Termine bei Fachärzten als gesetzlich Versicherte, da private Versicherungen das 2,3 bis 3,5-fache der gesetzlichen Regelleistung erstatten. Wer als Arbeitnehmer in den Genuss dieser Vorzüge kommen möchte, kann dies nur bei einem entsprechend hohen Jahreseinkommen. Eine Alternative: Die Private Krankenzusatzversicherung. Was es hierbei zu beachten gibt, lesen Sie hier.
Die Private Krankenzusatzversicherung soll die Leistungsdifferenz zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Privaten Krankenvollversicherung (PKV) ausgleichen. Für Verbraucher*innen ist es nicht immer leicht, den Überblick zu erhalten. Denn es gibt nicht den einen Krankenzusatztarif, der bei allen Versicherungsgesellschaften gleich ist und das Rundum-Sorglospaket beinhaltet. Jeder Versicherer bietet unterschiedliche Leistungsbausteine, die es vor einem Abschluss zu vergleichen gilt.
Überblick über die Module der privaten Krankenzusatzversicherung
Die private Krankenzusatzversicherung ist modular aufgebaut. Das bedeutet, dass Verbraucher*innen bei der Absicherung unterschiedliche Teilbereiche einzeln auswählen können. Die drei gängigsten Bausteine sind die
- ambulante Versorgung
- stationäre Versorgung
- zahnärztliche Versorgung
Hinzu kommen noch Tarifbausteine wie Vorsorgeuntersuchungen (oftmals auch in den ambulanten Tarifen inkludiert), welche nicht von der GKV übernommen werden, sowie Krankentagegeld, Pflegetagegeld oder die Auslandsreisekrankenversicherung. Eine zusätzliche Sparte bildet die immer beliebter werdende betriebliche Krankenversicherung (bKV).
Zusatzleistungen der ambulanten Versorgung
Wie der Name schon sagt, übernimmt die Versicherung bei der ambulanten Versorgung Zusatzleistungen, die bei niedergelassenen Ärzten angeboten oder entstehen können, die von der GKV nicht bezahlt werden. Hierbei kann es sich beispielsweise um spezielle Untersuchungen oder Behandlungsformen handeln, Naturheilverfahren oder besondere Therapeuten zählen ebenfalls dazu. Außerdem werden die Kosten für spezielle Medikamente übernommen oder Hilfsmittel bezuschusst.
Stationäre Versorgung auf höherem Niveau
Die Leistungsbausteine der stationären Versorgung sind ähnlich im Vergleich zum ambulanten Bereich. Es handelt sich in der Regel um die Unterbringung in einem Ein- oder Zweibettzimmer während eines Klinikaufenthaltes und die Kostenübernahme einer Chefarztbehandlung. Dies gilt je nach Tarif auch für Reha- oder Kuraufenthalte in speziellen Kliniken. Doch bleibt hierbei anzumerken, dass aufgrund einer solchen Versicherung kein Rechtsanspruch auf ein Einzelzimmer oder eine Chefarztbehandlung besteht.
Zahnärztliche Versorgung: Tarife für Zahnersatz und Zahnbehandlung
Die Bausteine der zahnärztlichen Versorgung gliedern sich wiederum in zwei Teile auf. Es gibt Tarife, die lediglich die Zusatzkosten bei Zahnersatz erstatten, wie beispielsweise Inlays oder Implantate. Des Weiteren gibt es Tarife, die neben dem Zahnersatz auch die Kosten für Zahnbehandlungen tragen. Hierbei kann es sich beispielsweise um höherwertigere Füllungen oder kieferorthopädische Maßnahmen handeln. Die sogenannte Zahnzusatzversicherung ist wohl gerade bei Personen ab dem mittleren Alter einer der stärksten nachgefragten Bausteine, denn die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind gerade im Bereich Zahnersatz gedeckelt und hinterlassen einen größeren finanziellen Selbstbehalt für die Versicherten. Außerdem wird lediglich die gesetzliche Regelversorgung abgedeckt. Wer höherwertigeren Zahnersatz (z.B. Implantate) möchte, muss hierbei noch tiefer in die Tasche greifen. Drei Punkte gilt es bei der Zahnzusatzversicherung zu beachten:
- Die Tarife unterscheiden sich immens bezüglich der Kostenerstattung gerade beim Thema Zahnersatz. So gibt es günstige Tarife, die beispielsweise nur 30 Prozent der Kosten übernehmen. Tarife, welche bis zu 100 Prozent der Kosten übernehmen, sind dann auch entsprechend teurer.
- Die Tarife beinhalten in der Regel eine sogenannte Zahnstaffel. Das bedeutet, dass die Leistungshöhe in den ersten Jahren der Vertragslaufzeit auf eine festgelegte Summe begrenzt wird, die von Jahr zu Jahr steigt. Ab einem bestimmten Jahr (oftmals ab dem vierten oder fünften Vertragsjahr) wird die Summenbegrenzung aufgehoben und der Versicherer leistet darüber hinaus. Mit dieser Zahnstaffel wollen die Versicherungsgesellschaften verhindern, dass sich Kunden nach einer kurzen Vertragsdauer für mehrere tausend Euro ihr Gebiss sanieren lassen und danach den Vertrag wieder kündigen.
- Es gibt eine Mindestlaufzeit der Verträge, die bei den meisten Anbietern zwei Jahre beträgt. Vorher kann der Vertrag vom Versicherungsnehmer nicht gekündigt werden. Danach beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Versicherungsjahresende. Dies ist bei den meisten Anbietern der 31. Dezember, es gibt allerdings auch einige Anbieter, bei denen das Versicherungsjahr unterjährig endet.
Wichtig: Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß beantworten
Bei der Beantragung einer solchen Police sind je nach Baustein unterschiedliche Gesundheitsfragen vom Antragsteller auszufüllen, die wahrheitsgemäß beantwortet werden sollten. Denn im schlimmsten Fall kann der Versicherer wegen arglistiger Täuschung vom Vertrag zurücktreten. Des Weiteren richtet sich die Beitragshöhe auch nach dem Eintrittsalter. Je jünger die versicherte Person beim Abschluss der Police ist, desto günstiger ist der Beitrag. Jedoch bedeutet das nicht, dass sich der Beitrag im Laufe der Jahre nicht erhöht. Zahlreiche Anbieter dieser Policen sind bei der Beitragskalkulation zum Beitragsmodell der Schadentarife gewechselt. Das bedeutet, dass sich der Beitrag nach einer fest definierten Altersstaffel automatisch erhöht und Altersrückstellungen in den Tarifen nicht mehr gebildet werden. Nur noch wenige Tarife bilden in der Krankenzusatzversicherung noch Altersrückstellungen, um den Beitragsanstieg im Alter abzufedern. Darüber hinaus hat die Krankenversicherung auch das Recht ihre Beiträge außerplanmäßig zu erhöhen, wenn die Kosten in einem Tarif unvorhergesehen ansteigen und die ursprüngliche Beitragskalkulation nicht mehr aufgeht. Allerdings müssen die Beitragserhöhungen von einem Gutachter vorher geprüft und genehmigt werden. Dennoch kam es in den vergangenen Jahren wegen der Niedrigzinsphase der letzten zehn Jahre, der immer älter werdenden Gesellschaft und der Preissteigerungen im medizinischen Bereich zu teilweise immensen Beitragssteigerungen.
Pro und Contra private Krankenzusatzversicherung
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die medizinische Versorgung in Deutschland – auch für gesetzlich Krankenversicherte – im Vergleich zu vielen anderen Ländern trotz aller Negativmeldungen oder persönlichen Erfahrungen immer noch zu den besten auf der Welt zählt.
Die meisten Leistungen der Gesetzlichen Krankenkassen sind im sogenannten Leistungskatalog festgeschrieben. Das bedeutet, egal bei welcher Krankenkasse Verbraucher*innen versichert sind, erhalten sie als Patient diese vorgeschriebenen Leistungen. Dieser Leistungskatalog wird allerdings auch immer wieder angepasst und es kann auch zur Streichung von Leistungen kommen. Außerdem schreibt der Gesetzgeber bei gesetzlich Krankenversicherten vor, dass in der Regel die wirtschaftlich sinnvollste Behandlungsmethode anzuwenden ist. Wirtschaftlich sinnvoll bedeutet in diesem Bereich nicht immer die am besten mögliche Therapie. Darüber hinaus haben die Krankenkassen noch die Möglichkeit einige Zusatzleistungen anzubieten, wie zum Beispiel spezielle Naturheilverfahren, besondere Reiseschutzimpfungen oder eine professionelle Zahnreinigung pro Jahr. Wem der reguläre Versicherungsschutz nicht ausreicht, der sollte also zunächst einmal die differenzierten Leistungsbausteine der Krankenkassen vergleichen und im Zweifel die Kasse wählen, die für einen selbst die attraktivsten Angebote abdeckt. Im Internet finden sich zahlreiche Vergleichsportale, anhand derer die einzelnen Zusatzleistungen verglichen werden können.
Der VerbraucherService Bayern schätzt die private Krankenzusatzversicherung als eine „Kann-Versicherung“ ein. Denn mit ihr kaufen Verbraucher*innen neben der bereits guten gesetzlichen Versorgung eine zusätzliche noch höhere Versorgung ein. Interessierte sollten sich vorab folgende Fragen stellen: Möchte ich unbedingt ein Einzelzimmer bei einem stationären Aufenthalt oder ist mir vielleicht ein wenig Gesellschaft und Ansprache wichtiger? Und was kostet ein Einzel- oder Zweibettzimmer an Aufpreis pro Tag? In der Regel ist das nicht so teuer und in den modernen Kliniken gibt es oftmals sowieso nur noch maximal Zweibettzimmer. Wie sieht es mit meinem Zahnstatus aus? Habe ich gesunde Zähne, die keine oder wenig Probleme machen oder ist schon jetzt abzusehen, dass später größere Zahnbehandlungen anstehen werden? Kann ich das Geld evtl. privat ansparen, weil ich noch relativ jung bin und erst im fortgeschrittenen Alter höhere Zahnarztkosten auf mich zukommen werden, anstatt das Geld an eine Versicherung zu zahlen?
Sicherlich gibt es immer ein gewisses Restrisiko und bei manchen Erkrankungen wäre es sinnvoll, die zusätzlichen Leistungen einer privaten Zusatzversicherung in Anspruch nehmen zu können. Zunächst gilt es aber erst einmal sich darüber klar zu werden, welche Absicherungsbausteine für einen wichtig sind. Im zweiten Schritt sollten Verbraucher*innen die Angebote der einzelnen Versicherungsgesellschaften anhand eines detaillierten Leistungsvergleichs gegenüberstellen und sich im Zweifelsfall neutrale Beratung einholen.