Versicherungen
08.11.2024
Von der privaten zurück in die gesetzliche Krankenversicherung
Wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt, versenden zahlreiche private Krankenversicherer (PKV) die Beitragsanpassungsinformationen an ihre Kunden. Gerade in den vergangenen Jahren der Niedrigzinsphase stiegen die Beiträge wiederholt um einen zweistelligen Prozentsatz. Das hat vor allem für Personen, welche sich in der zweiten Lebenshälfte oder nur wenige Jahre vor dem Ruhestand befinden zur Folge, dass Monatsbeiträge nahe der 1.000,00 Euro fällig werden können. Bei diesen Summen stellen sich Verbraucher*innen die Frage, ob der Wechsel in die PKV die richtige Entscheidung war und wie sich diese Beiträge im Alter finanzieren lassen. Denn spätestens mit dem Eintritt in den Ruhestand fällt auch der Arbeitgeberzuschuss für die PKV weg. Betroffene würden häufig gerne wieder zurück in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), doch ist ein Wechsel zurück überhaupt möglich und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Der Schritt von der PKV in die GKV ist nicht einfach, handelt es sich bei der GKV doch um ein Solidarprinzip. Ein einfacher Wechsel von Personen, die jahrelang nicht in dieses System eingezahlt haben und im Alter, wenn es teuer wird, wieder davon profitieren möchten, wäre ungerecht.
Als erster Schritt lohnt sich die Überprüfung, ob es innerhalb der PKV nicht eine Lösung zur Senkung der Beiträge gibt. Hierzu hat der Gesetzgeber den Versicherten der PKV eine Art Tarifwechselrecht eingeräumt, welches im §204 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verankert ist. Demnach müssen die privaten Krankenversicherer ihren Kunden ein Tarifwechselangebot unterbreiten. Dennoch kann es hierbei auch einige Fallstricke geben und besonders langjährig Versicherte, die bereits vor dem Jahr 2009 in der PKV versichert waren und demnach in einem Bisex-Tarif versichert sind, sollten hier besonders wachsam sein. Denn bei den Angeboten der Versicherer zum Tarifwechsel werden regelmäßig auch die Versicherungsgesellschaften übergreifenden und einheitlichen Sozialtarife (Standard- und Basistarif) angeboten.
Der Basistarif – Leistungen vergleichbar mit der GKV
Der Basistarif wurde zum 1. Januar 2009 eingeführt und bietet beim Leistungsumfang vergleichbare Leistungen im Umfang und der Art wie in der GKV. Änderungen im Leistungskatalog der GKV werden auch im Basistarif der PKV analog dazu vorgenommen. Im Basistarif versicherte können Leistungen nur von Ärzten mit einer kassenärztlichen Zulassung entgegennehmen. Für die Aufnahme des Versicherten in den Basistarif besteht für den Versicherer eine Verpflichtung (Kontrahierungszwang), unabhängig vom Gesundheitszustand. Langjährig Versicherte, die bereits vor 2009 in der PKV versichert waren, können nur in den Basistarif wechseln, wenn sie
- das 55. Lebensjahr vollendet haben
- ein Ruhestandsgehalt (Rente) beziehen
- Hilfebedürftigkeit im Sinne des Sozialrechts besteht
Der Beitrag wird im Basistarif nach der in der PKV üblichen Vorgehensweise kalkuliert, jedoch besteht hier eine Kappungsgrenze, die sich am Höchstbeitrag der GKV zuzüglich des durchschnittlichen Zusatzbeitrags in der GKV orientiert. Bei vielen Gesellschaften liegt die Beitragshöhe des Basistarifs genau bei dieser Kappungsgrenze, sodass oftmals der Wechsel in einen herkömmlichen PKV-Tarif günstiger ist.
Der Standardtarif – angesammelte Altersrückstellungen wirken beitragsmindernd
Der Wechsel in den Standardtarif kann eine sinnvolle Lösung für PKV-Versicherte sein, die bereits vor 2009 in der PKV versichert waren. Denn hier wirken sich die bereits angesammelten Altersrückstellungen aus der PKV beitragsmindern aus, sodass die Prämie oftmals unter dem Höchstbeitrag der GKV liegt (siehe Basistarif). Außerdem müssen PKV-Versicherte, die in den Standardtarif wechseln wollen, vorher in einem geschlechterspezifischen Bisex-Tarif versichert gewesen sein. Tarife, die ab dem Jahr 2012 aufgelegt wurden, sind sogenannte geschlechterneutrale Unisex-Tarife. Ein Wechsel von einem Unisex-Tarif in den Standardtarif ist nicht möglich. Dieser Sachverhalt ist besonders für Personen von Bedeutung, die zwar erstmal einen Tarifwechsel in einen normalen Tarif vornehmen wollen, ein späterer Wechsel in den Standardtarif aber nicht ausgeschlossen werden kann. Hier ist demnach besonders darauf zu achten, dass es sich beim neuen Normaltarif ebenfalls um einen Unisex-Tarif handelt, da ansonsten der spätere Wechsel in den Standardtarif nicht mehr möglich ist. Die Leistungen des Standardtarifes orientieren sich ebenfalls an der GKV und lassen sich entsprechend anpassen.
Doch welche Wechselmöglichkeiten gibt es außerhalb dieses Spektrums und unter welchen Voraussetzungen ist ein tatsächlicher Wechsel von der PKV zurück in die GKV möglich?
Angestellte – Wechsel über Absenkung des Bruttoeinkommens möglich
Wenn Sie als Arbeitnehmer in der PKV versichert sind und zurück in die GKV möchten, ist das in der Regel nur über eine Absenkung Ihres Bruttoeinkommens unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) möglich. Diese liegt im aktuellen Jahr 2024 bei 69.300,00 Euro Jahresbruttoeinkommen. Wer bereits vor dem 31. Dezember 2002 in der PKV versichert war, für den gilt die besondere Grenze in Höhe von 62.100,00 Euro. Ab dem kommenden Jahr 2025 wird die JAEG auf 73.800,00 Euro angehoben. Personen, deren Jahresbruttoeinkommen unterhalb dieser Grenze liegt, erlagen automatisch wieder den Status der Versicherungspflicht in der GKV. Dies ist zum Beispiel durch eine (auch zeitlich befristete) Reduzierung der Arbeitszeit auf eine Teilzeitstelle möglich. Viele Unternehmen lassen bei dieser Teilzeitvereinbarung mit sich reden, das richtige Stichwort lautet hier Brückenteilzeit. Auch die Reduzierung des Bruttoeinkommens über eine Entgeltumwandlung in die betriebliche Altersvorsorge (bAV) bietet die Möglichkeit das Einkommen zu reduzieren.
Eine zweite wichtige Voraussetzung zur Rückkehr in die GKV ist die Tatsache, dass Verbraucher*innen das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben dürfen.
Selbstständige – kein Anrecht auf Wechsel in die GKV
Selbstständig tätige Personen haben zunächst kein Anrecht auf einen Wechsel zurück in die GKV. Dies ist nur möglich, wenn die berufliche Situation den Pflichtversichertenstatus auslöst. Konkret bedeutet das, dass die Selbstständigkeit zumindest als Haupttätigkeit aufzugeben ist und ein Arbeitnehmerverhältnis angenommen wird, bei dem das Einkommen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze liegt. Dabei ist es möglich, die Selbstständigkeit weiterhin nebenberuflich auszuüben, sofern das Einkommen aus der angestellten Tätigkeit mindestens so hoch wie der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit. Außerdem muss die Arbeitszeit des Angestelltenverhältnisses mindestens 20 Wochenstunden betragen und die Betroffenen dürfen als Selbstständiger im Nebengewerbe keine Angestellten über Minijob-Niveau beschäftigen. Besteht über das Angestelltenverhältnis wieder eine GKV, kann im Hauptjob erneut einer selbstständigen Tätigkeit nachgegangen werden und der Versicherungsschutz in der GKV bleibt bestehen. Auch hier gilt die Altersgrenze von 55 Jahren.
Ein Jahr Arbeiten im Ausland ermöglicht Wechsel in die GKV
Eine weitere Möglichkeit zum Wechsel in die GKV ist die vorherige Pflichtversicherung im europäischen Ausland. Hierzu müssen Verbraucher*innen ihren Wohnsitz in ein europäisches Ausland verlegen, in dem eine gesetzliche Versicherungspflicht besteht. Außerdem sind sie verpflichtet, in diesem Land einen Job anzunehmen und müssen mindestens zwölf Monate dort versichert zu sein. Nachdem sie nach Deutschland zurückkehren, können sie sich wieder in der GKV versichern.
Derzeit werben immer mehr Anbieter im Internet mit einem entsprechenden Service, Betroffene in einem dieser Länder versicherungspflichtig anzumelden und lassen sich diese Täuschung der Behörden und Sozialversicherungsträger mit mehreren tausend Euro Honorar bezahlen. Als Verbraucherverband raten wir von diesen „Dienstleistern“ dringend ab, da sie sich unter Umständen wegen Sozialversicherungsbetrug verantworten müssten. Wählen Sie die Wechseloption über das Ausland nur, wenn Sie tatsächlich für eine gewisse Zeit Ihren Wohnsitz in dieses Land verlegen und auch dort arbeiten.
Der VerbraucherService Bayern bietet Verbraucherberatungen zur Privaten Krankenversicherung an. Über unsere bayernweite Servicehotline 0 89 / 513 18 743 oder unsere Internetseite können Interessierte gerne einen Beratungstermin vereinbaren.