Altersvorsorge

11.09.2018, Fünf Fragen zur Alterssicherung

Mehr Durchblick in der Rentendiskussion

Die gesetzliche Rente ist die wichtigste Stütze der Altersvorsorge. Jetzt wird sie reformiert. Das Finanzteam des VSB erklärt wichtige Begriffe, damit Sie verstehen, worum es geht und was sich eventuell für Sie ab dem 1. Januar 2019 ändern wird.

Mehr Durchblick in der Rentendiskussion© andreusK - Fotolia.com

Jüngste Umfragen zeigen: Ganz oben bei den Sorgen der Bürgerinnen und Bürger steht die um die gesetzliche Rente. Anfang Juli hat Bundessozialminister Hubertus Heil mit dem Rentenpakt ein ganzes Maßnahmenpaket vorgestellt, das Änderungen bringen soll. Im Moment laufen Fachgespräche, der Bundestag muss zustimmen und, wenn alles nach Plan läuft, soll der Rentenpakt am 1. Januar 2019 in Kraft treten. Doch wissen Sie genau, worum es geht? Vieles ist schwer verständlich, die Wortwahl sperrig und trocken. Das Finanzteam des VerbraucherService Bayern im KDFB (VSB) versucht mit den Antworten auf fünf zentrale Fragen Licht ins Dunkel zu bringen. Denn Durchblick ist wichtig. Schließlich geht es für alle Rentnerinnen, Rentner und sozialversichert Beschäftigte um ihr Geld.
Das sollten Sie wissen:

Was versteht man unter Mütterrente II?

Die Mütterrente II ist ein wichtiges Anliegen des Frauenbunds. Es geht um den sogenannten dritten Rentenpunkt für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern: Wer die Kinder hauptsächlich erzieht, bekommt bislang für jedes nach 1992 geborene Kind drei Jahre bei der Rente angerechnet. Für jedes Jahr erhalten Mutter oder Vater einen sogenannten Entgeltpunkt. Das bedeutet nach heutigem Rentenwert, dass zukünftige Rentnerinnen und Rentner, die ab 1992 Kinder erzogen haben, rund 96 Euro (Westen) beziehungsweise rund 92 Euro (Osten) pro Kind als monatliche Rente erhalten.

Mütter und Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, erhalten weniger. Bis 2014 bekamen sie pro Kind nur pauschal einen, seit 2014 zwei Entgeltpunkte. Der Frauenbund forderte den dritten Entgeltpunkt. Zusammen mit der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) hat er dafür innerhalb von nur fünf Wochen über 60 000 Unterschriften gesammelt und im Juli an Bundessozialminister Hubertus Heil übergeben.

Die Mütterrente II ist Bestandteil des Rentenpakts – der Koalitionsvertrag schränkte ein, dass nur Erziehende mit mehr als zwei Kindern pro Kind ein weiteres Erziehungsjahr und damit einen weiteren Entgeltpunkt bekommen. Bundessozialminister Hubertus Heil hat sich nun mit einem anderen Modell durchgesetzt. Die Mütterrente wurde auf alle Mütter und Väter von vor 1992 geborenen Kindern ausgeweitet (Stand 29.08.2018), dafür bekommen sie aber zusätzlich nur einen halben Rentenpunkt angerechnet.
Wichtig: Wer noch keine Rente bezieht, wird zukünftig beim Rentenantragsverfahren einen Antrag auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten stellen müssen!

Was bedeutet das Rentenniveau?

Zunächst: Es handelt sich hier nicht, wie vielfach angenommen, um den Prozentsatz, den Rentner von ihrem letzten Gehalt als Rente bekommen! Das Rentenniveau setzt vielmehr die Rente eines Durchschnittsverdieners mit 45 Beitragsjahren ins Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn. Für Versicherte ist es eine Hausnummer zur groben Orientierung, wie hoch ihre gesetzliche Rente ausfallen wird. In Deutschland liegt das Rentenniveau derzeit bei 48,1 Prozent. Das entspricht 1195 Euro bei einem monatlichen Durchschnittsnettoverdienst vor Steuern  von 2490 Euro (Stand 2016). Wer im Schnitt die Hälfte verdient oder 50 Prozent in Teilzeit gearbeitet hat, bekommt nur in etwa die Hälfte!

In Deutschland steigen die Renten langsamer als die Löhne der Arbeitnehmer, deshalb sinkt das Rentenniveau kontinuierlich. Die derzeitigen 48 Prozent sind im europäischen Vergleich sehr niedrig. Deutschland bildet mit Griechenland, Polen, Irland und Großbritannien das Schlusslicht unter den europäischen Staaten. In den Niederlanden dagegen erhält der Durchschnittsrentner 95 Prozent, in Österreich, Ungarn, Spanien, Portugal, Luxemburg 90 Prozent und in Italien 80 Prozent des Durchschnittslohns (Welt am Sonntag, 2.7.2017). „Wer in diesen Ländern einigermaßen gut verdient, muss fürs Alter nicht übermäßig zusätzlich privat vorsorgen“, meint Judit Maertsch. „Sie könnten als Vorbild für eine umfassende Reform des Rentensystems dienen.“

Was heißt eigentlich doppelte Haltelinie?

Es handelt sich um einen zentralen Begriff im Rentenpakt und bedeutet: Das Rentenniveau in Deutschland soll nicht unter 48 Prozent sinken und der Beitragssatz zur Rentenversicherung, den sich Versicherte und Arbeitgeber teilen, soll nicht über 20 Prozent steigen. Dies soll bis 2025 gelten.

Das Problem: Alleine durch die Rentenbeiträge kann das nicht finanziert werden, denn die Gesellschaft wird immer älter. Auf immer weniger Einzahler in die gesetzliche Rentenversicherung kommen immer mehr Rentenempfänger, die außerdem immer länger leben. Finanziert werden soll die Reform deshalb durch Steuergelder. „Bis 2025 fallen geburtenstarke Jahrgänge als Beitragszahler aus, weil sie in Rente gehen. Das Problem der Finanzierung ist nicht gelöst!“ sagt VSB-Expertin Judit Maertsch.

Was ist die Versorgungslücke?

Den meisten Menschen wird die gesetzliche Rente nicht reichen. Die Versorgungslücke ist der dann fehlende Betrag, um im Alter den gewohnten Lebensstandard zu halten. Schwierig wird es vor allem für Geringverdiener, zu denen viele Frauen gehören. Eine Frau mit zwei nach 1992 geborenen Kindern und acht Jahren Beschäftigungspause wegen Kindererziehung, die 37 Jahre in Teilzeit die Hälfte des Durchschnittsbruttoverdienstes – derzeitig 1578 Euro – verdient hat, bekäme aktuell eine Rente von 784,74 Euro brutto.

Wichtig zu wissen im Zusammenhang mit der Versorgungslücke ist: Bei der gesetzlichen Rente zählt jeder Beitragsmonat. Frauentypische Lebensläufe mit Phasen von Teilzeitarbeit, Erwerbslosigkeit aufgrund von Kindererziehung oder nicht sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen wirken sich negativ aus und zwar einschneidend: Frauen erhalten aus eigenständigen Alterssicherungsansprüchen derzeit durchschnittlich 60 Prozent weniger Rente als Männer.

Was soll ein digitales Rentenkonto bringen?

Seine zukünftigen Rentenbezüge kennt bislang nur jeder dritte Deutsche! Dieser Wert bestimmt aber den Bedarf an zusätzlicher privater Vorsorge.

Der VerbraucherService Bayern hat deshalb bereits 2017 den Antrag an die Politik gestellt, ein digitales, also online einsehbares Rentenkonto („mit-einem-Klick“) einzuführen.

Das soll jetzt kommen. SPD und Union haben das digitale Rentenkonto in den Koalitionsvertrag geschrieben. Künftig können Sie bequem im Computer ablesen, wieviel Geld Sie im Ruhestand aus den verschiedenen Säulen der Altersvorsorge (gesetzlich, betrieblich und privat) erhalten.

gfm