Ernährung

11.10.2022

Auf dem Prüfstand: Nahrungsmittelallergie-Tests für zu Hause

Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit möglichen Nahrungsmittelallergien und versuchen so eine Erklärung für verschiedenste körperliche Symptome zu finden oder sich vorsorglich etwas Gutes zu tun. Vermeintliche Sicherheit bringen frei verkäufliche Nahrungsmittelallergie-Tests. Diese untersuchen, ob im Blut IgE-Antikörper gegen eine Vielzahl „gängiger“ Lebensmittelallergene messbar sind. Wie aussagekräftig die Tests sind und ob es sich lohnt, aufgrund der Ergebnisse die eigene Ernährung umzustellen, erfahren Sie hier.

Auf dem Prüfstand: Nahrungsmittelallergie-Tests für zu HauseFoto: © Southworks - stock.adobe.com

Testkit für zu Hause: Kosten und Ergebnis

Ein Testkit kostet rund 100 Euro. Einige Tropfen Blut und der Versand an das entsprechende Labor, liefern laut Hersteller nach wenigen Tagen ein Ergebnis. Dieses erhalten die Verbraucher*innen meist online oder per Post. Damit erfährt man, ob unser Körper IgE-Antikörper gegen bestimmten Nahrungsmittelallergene bildet. Nicht mehr und nicht weniger.

Eine Sensibilisierung ist nicht gleich eine Allergie

Der Nachweis von IgE-Antikörper gegen bestimmte Nahrungsmittelbestandteile zeigt an, ob unser Körper in der Lage ist, eine sogenannte IgE-vermittelte allergische Reaktion auf das entsprechende Lebensmittel auszulösen. Der Test sagt aber nicht, ob das auch tatsächlich der Fall ist. Bildet der Organismus IgE-Antikörper gegen Allergene, spricht man von Sensibilisierung. Von einer Allergie ist dagegen erst dann die Rede, wenn das Nahrungsmittel auch allergische Symptome auslöst. Wird das Nahrungsmittel, trotz vorhandener IgE-Antikörper im Blut, vertragen, spricht man von stummer Sensibilisierung und Toleranz. Die Verbreitung für Nahrungsmittelallergien liegt, laut eines Positionspapiers der Kommission Umweltmedizin am Robert Koch-Institut, bei Erwachsenen in Deutschland bei 4,7 Prozent. Deutlich mehr Menschen vermuten jedoch, sie würden an einer Nahrungsmittelallergie leiden.

Ausführliche Diagnostik notwendig

Während einige Hersteller noch darauf verweisen, dass eine genaue Diagnostik durch „allergieerfahrene“ Ärzt*innen erfolgen sollte, stellen andere die Vorteile ihres Produktes den Nachteilen einer ärztlichen Behandlung gegenüber. Eine genaue Diagnostik mit eingehender Befragung ist in der Allergologie jedoch zwingend notwendig, um herauszufinden, ob und wenn ja, welche Lebensmittel für allergische Symptome verantwortlich sind.

Idealerweise geht einer Testung der Besuch in der allergologischen Arztpraxis oder bei einer allergologischen Ernährungsfachkraft voraus. Dies grenzt verdächtige Lebensmittel ein und untersucht diese gezielt. Auch lässt sich so gegebenenfalls untersuchen, ob den Beschwerden eine Nahrungsmittelunverträglichkeit, ohne IgE-Beteiligung, zugrunde liegt. Bei Unverträglichkeiten, wie der Laktoseintoleranz, führen meist eine fehlende oder reduzierte enzymatische Verarbeitung oder andere gastrointestinale Einschränkungen zu den Symptomen.

Verunsicherung führt zu Einschränkungen im Speiseplan

Eine breite Testung auf viele Allergene führt, ohne weitere Anamnese, häufig zu großer Verunsicherung bei den Verbraucher*innen und hat gegebenenfalls zur Folge, dass Betroffene verträgliche Lebensmittel aus Vorsicht meiden. Dies schränkt nicht nur die Lebensqualität ein und kann im Extremfall Mangelerscheinungen nach sich ziehen, sondern setzt unter Umständen auch die Toleranzschwelle herab. Denn reagiert der Organismus trotz vorhandener IgE-Antikörper nicht mit allergischen Symptomen auf das entsprechende Lebensmittel, so bleibt diese Toleranz durch regelmäßigen Verzehr meist erhalten. Streichen wir das Nahrungsmittel jedoch aus dem Speiseplan, ist es möglich, dass die Toleranz verloren geht. Dann kann ein späterer Verzehr tatsächlich allergische Reaktionen auslösen.

IgE und IgG – welcher Antikörpernachweis macht Sinn?

Viele frei verkäufliche Tests weisen nicht nur IgE-Antikörper, sondern auch IgG-Antikörper nach. Testungen auf IgG-Antikörper im Zusammenhang mit Allergiediagnostik sind laut dem Deutschen Allergie- und Astmabund e.V. (daab) jedoch nicht aussagekräftig. Die allergologischen Fachgesellschaften Deutschlands, Österreichs und der Schweiz haben, in Zusammenarbeit mit der European Academy of Allergology and Clinical Immunology, eine S1-Leitlinie veröffentlicht, aus der dies hervorgeht. Denn: Der Nachweis von IgG-Antikörpern gegen Nahrungsmittelbestandteile zeigt in erster Linie einen häufigen Kontakt zu dem entsprechenden Lebensmittel an. Der Wert gibt also Hinweis darauf, was jemand häufig isst und nicht, ob eine Allergie gegen das Lebensmittel besteht.

Weitere Infos und Quellen