Finanzen
09.03.2021
Megatrend nachhaltige Geldanlage
Die EU hat sich mit dem Pariser Klimaschutzabkommen zur nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft verpflichtet. Die Motivation der Industrie, langfristige gesellschaftliche und ökologische Aspekte zu berücksichtigen, ist jedoch verhalten. Noch dominiert das Bestreben nach kurzfristiger Gewinnmaximierung und das Interesse an Dividendenausschüttung. Im Kontrast dazu rücken nachhaltige, klimaschonende Kapitalanlagen und Versicherungsprodukte immer mehr in den Fokus von Investoren. Grüne Geldanlage ist ein Megatrend. Anleger wollen sich damit identifizieren, wie und was ihr Geld erwirtschaftet. Die Geldanlage soll Gutes bewirken, Klima und Umwelt schonen oder soziale Projekte unterstützen.
Auch die Marketingabteilungen von Banken sowie Versicherungen entdecken das Thema für sich und erweitern ihr Angebot an Geldanlagen sukzessive um „grüne“ Produkte. Allein in Deutschland wurden 2019 über 183 Mrd. Euro in „nachhaltigen“ Aktien, Fonds und Co. verwaltet.
Der Druck der Finanzmärkte ist enorm und kann deutliche Verhaltensänderungen bei den Unternehmen herbeiführen. Firmen, die sich nicht anpassen, kommen nicht oder nur sehr teuer an frisches Kapital. Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit setzen, sind dagegen gefragt. Viele Studien beweisen inzwischen, dass Manager, die sich um ihre Mitarbeiter und die Umwelt kümmern sowie mit den Ressourcen schonend umgehen, durchaus positive oder sogar eine überdurchschnittliche Wertentwicklung mit ihren Unternehmen erreichen.
EU-Transparenzverordnung: Ab 10. März 2021 wird Nachhaltigkeit zur Pflicht
Ist die Klimafondsanlage, die in grüne Energie investiert aber Menschenrechtsrisiken in der Zulieferkette verschweigt, wirklich nachhaltig? Sind Umweltfonds in Aufforstungsprojekten grün, obwohl Monokulturen statt Mischwälder entstehen?
Ziel ist es, den EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem (Sustainable Finance) regulatorisch fest im Finanzmarkt zu verankern. Als erster Meilenstein wird laut der EU-Transparenzverordnung (TVO) am 10. März 2021 Nachhaltigkeit für viele Finanzprodukt-Anbieter und Berater Pflicht. Laut der TVO haben Anbieter künftig nachhaltigkeitsbezogene Aufklärungspflichten. Demnach sind die Unternehmen verpflichtet offenzulegen, ob und wie sie selbst und ihre Produkte die Nachhaltigkeitsrisiken bei Investmententscheidungen berücksichtigen. Diese Informationen sind in den Verkaufsprospekten und auf der Internetseite zu veröffentlichen. Immobilienfonds müssten beispielsweise kommunizieren, wenn sie Objekte an Rüstungsunternehmen vermieten. Nur wenn der Anleger angibt, dass ihn Nachhaltigkeit gar nicht interessiert, beraten die Finanzberater nicht zu diesem Thema und berücksichtigen es auch nicht bei der Geldanlageempfehlung.
Welche Geldanlage ist wirklich klimaneutral oder nachhaltig?
Das Herzstück der Nachhaltigkeitsstrategie der EU, das Klassifizierungssystem (Taxonomie) mit der Definition der Nachhaltigkeit, tritt erst 2022 in Kraft. Da die regulatorische Seite noch nicht übersichtlich ist, liefern selbst Rating-Agenturen nur widersprüchliche Einschätzungen zur Nachhaltigkeit der Geldanlage. Bis das Regelwerk feststeht und solange genaue Vorgaben und Auslegungshilfen für die Finanzdienstleister fehlen, ist die verlässliche Beurteilung, ob ein Geldanlageprodukt nachhaltig ist oder nicht, kaum möglich. Die Rechtslage ist nicht fundiert. Die Gefahr, dass Umweltthemen in der Geldanlage sanktionsfrei überbewertet werden könnten („grüne Blase“, „Greenwashing“), steigt.
Jeder Anbieter hat derzeit seine eigene Definition von Nachhaltigkeit. Voraussichtlich ab 2022 plant die EU-Kommission zwar außer der Taxonomie zusätzlich ein einheitliches EU-Ökolabel für nachhaltige Geldanlagen einzuführen, aber noch ist es nicht soweit.
Tipps für die Verbraucher*innen
Trotz der unübersichtlichen aktuellen Lage gibt es Wege zu vertrauenswürdigen, nachhaltigen Anlageprodukten. Fragen Sie ihre Hausbank gezielt nach ihren ökologisch-, ökonomisch-, ethischen Standards. Fragen Sie die Sparkassen, Raiffeisenbanken nach „nachhaltigen“ Angeboten für Girokonten, Sparanlagen oder Fonds. Vergleichen Sie die Geldinstitute. Auch Börsengehandelte Indexfonds, sogenannte ETFs (Exchange Traded Funds), die nachhaltig oder wenigstens klimafreundlich sind, bekommen Sie bei vielen Banken oder Onlinebrokern.
Verlassen Sie sich nicht auf Werbetexte in Hochglanzprospekten und überlegen Sie, was Ihnen wichtig ist. Keine Waffengeschäfte? Die Förderung erneuerbarer Energien? Tierwohl? Artenvielfalt? Spielt eine faire Unternehmensführung eine Rolle bei der Firmenauswahl? Verdienen Frauen in dem Unternehmen gleich viel wie ihre männlichen Kollegen? Verlangen Sie Fakten, wie Ihre Gelder verwendet werden. Nutzen Sie unabhängige Informationsquellen, um zu erfahren, wie ökologisch und fair das Geldinstitut wirtschaftet.
Aktuelle Ergebnisse der Stiftung Warentest bieten einen Produktfinder für nachhaltige Sparangebote ökologischer Bankgebote an (z.B. www.test.de, „Saubere Zinsangebote“, „ethisch-ökologische ETfs“ in Suchfunktion eingeben).
Detaillierte Fondsprofile finden Sie beim Forum für nachhaltige Geldanlagen (FNG). Das Forum vergibt seit 2015 ein Nachhaltigkeitssiegel für Fonds, das die Einhaltung von Mindestanforderungen garantiert. Dazu gehört Transparenz. 90 Prozent des investierten Kapitals müssen die ESG-Kriterien erfüllen (ESG = Environmental, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Investitionen in Firmen mit Waffen- und Kernkraftgeschäften, schwerwiegenden Verstößen gegen Menschenrechte, mit schlechten Arbeitsbedingungen und Korruption sind tabu. Da das Siegel für die Anbieter kostenpflichtig ist, sind einige Anbieter nicht dabei, obwohl sie sogar strengere Kriterien haben.
Unabhängige Beratung beim VerbraucherService Bayern
Der VerbraucherService Bayern prüft einzelne Angebote und berät zugeschnitten auf die individuelle Situation, wie Verbraucher*innen zu mehr Nachhaltigkeit in ihrer Geldanlage kommen.