Umwelt

05.07.2017, Mikroplastik in Kosmetik

Mikroplastik - Ausstieg der Industrie?

Noch vor einigen Jahren waren die kleinen Plastikteilchen unter 5 mm Größe, die unter anderem in Kosmetik aufgefunden wurden, gänzlich unbekannt: Mikroplastik. Der VerbraucherService Bayern im KDFB e.V. (VSB) startete bereits 2014 eine Unterschriftenaktion gegen Mikroplastik in Alltagsprodukten. Doch was hat sich seither getan oder verbessert?

Mikroplastik - Ausstieg der Industrie?Foto: © Korta - Fotolia.com

Selbstverpflichtung der Industrie

Mikroplastik - Ausstieg der Industrie?Foto: © Korta - Fotolia.com

In Ländern wie den USA und Kanada ist Mikroplastik mittlerweile verboten. Auch andere Länder diskutieren über ein Verbot. In Deutschland setzt die Bundesregierung auf die vereinbarte Selbstverpflichtung der Industrie. In dieser wurde im Oktober 2013, im sogenannten Kosmetikdialog zwischen dem BMUB (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) und der Kosmetikindustrie, ein Ausstieg bis zum Jahr 2020 vereinbart. Verschiedene Studien von Umweltverbänden zeigen aber, dass derzeit noch einige Produkte mit Mikroplastik auf dem deutschen Markt zu haben sind. Wie passt die Selbstverpflichtung der Industrie mit diesen Ergebnissen zusammen?

Selbstverpflichtung als Mogelpackung?

Der 2016 veröffentlichte Report der Internet-Plattform Codecheck zeigt beispielsweise, dass immer noch viele Produkte mit Mikroplastik auf dem deutschen Markt verkauft werden. Von den mehr als 102.000 untersuchten Kosmetikprodukten enthielt z.B. jedes dritte Gesichtspeeling PE (Polyethylen) und jedes 4. Duschgel P-7 (Polyquaternium-7).

Dieses Ergebnis muss aber relativiert werden. Mehr als 44.000 der untersuchten Produkte stammen aus dem Jahr 2014. Zu diesem Zeitpunkt war die Selbstverpflichtung der Industrie noch nicht umgesetzt, da es einige Zeit braucht, eine Produktformel zu ändern.

Aktueller ist der Greenpeace – Herstellercheck von 2017: Doch auch dort finden sich nach wie vor zahlreiche Produkte mit Mikroplastik.

Der BUND sammelt in seinem Mikroplastik-Einkaufsführer Kosmetikprodukte, die Mikroplastik enthalten. Auch hier hat sich die Liste nicht verkleinert. Im Gegenteil: im Februar 2014 maß die Liste 9 Seiten, im Februar 2017 23 Seiten.

Kommen die Hersteller ihrem selbst auferlegten Ausstieg nicht nach oder wie sind diese unterschiedlichen Ergebnisse zu erklären? Hintergrund der unterschiedlichen Berichte und Statistiken von Herstellern und Umweltverbänden sind verschiedene Mikroplastik-Definitionen, die zu Grunde gelegt werden.

Was ist eigentlich Mikroplastik?

Aktuell gibt es noch keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Mikroplastik“. Nach der meist gebräuchlichen Begriffsklärung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (National Oceanic and Atmospheric Administration NOAA) zählen Plastikteilchen und Plastikfasern unter 5 mm Größe zu Mikroplastik. Diese Definition hat allerdings keine Untergrenze und umfasst auch nicht Form, Oberfläche und chemische Zusammensetzung der Teilchen.

Streitpunkte gibt es dadurch v.a. bei flüssigen Kunststoffen, wie sie in der Kosmetik eingesetzt werden. Sie sorgen z.B. als Filmbildner in Duschgelen für die gelartige Konsistenz. Zählen aber flüssige Kunststoffe auch zu Mikroplastik?

Je nach Ausgangspunkt werden unterschiedliche Definitionen gewählt. Umweltschutzorganisationen wie der BUND oder Greenpeace verwenden die Definition der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Sie schließen aber auch flüssige Polymere wie z.B. Acrylates Copolymer oder Polyquaternium-7 mit ein.

So kommt auch das Ergebnis des Greenpeace-Herstellerchecks von 2017 zu Stande. Die dort getesteten Produkte enthielten keine festen Mikroplastikteilchen mehr sondern ausschließlich flüssige Polymere.

Hersteller jedoch beschränken sich bei der Definition meist auf Plastikteilchen in fester Form und propagieren auf diese Weise mikroplastikfrei zu sein. Laut ihrer Definition kommen sie also der selbst auferlegten Ausstiegsverpflichtung nach.

Definition bei staatlichen Stellen

Unsere Anfrage beim Umweltbundesamt, ob auch flüssige und gelartige Kunststoffe zu Mikroplastik zählen, wurde verneint. Hier möchte man verschiedene Formen des Kunststoffs nicht vermischen. Auch die Vergabekriterien des blauen Engels schließen nur feste Kunststoffpartikel ein. Flüssige synthetische Polymere werden nicht berücksichtigt.

Einige dieser Kunststoffe wie Styrene/Acrylates Copolymer sind jedoch schwer biologisch abbaubar. Unabhängig, ob Kunststoffe in fester oder flüssiger Form vorliegen, sind sich staatliche Institutionen und Umweltschutzverbände darüber einig, dass schwer biologisch abbaubare Stoffe nicht in die Umwelt gelangen sollten.

Verwirrung beim Verbraucher

Für den Verbraucher wird der Markt durch diese Definitionsdiskussion noch unüberschaubarer. Die vielen Begriffe in den Inhaltsstofflisten, hinter denen sich flüssige Polymere verbergen, kann nicht jeder Verbraucher kennen. Die vom Umweltprogramm der vereinten Nationen veröffentlichte Broschüre „Plastics in control“ enthält eine umfangreiche Liste solcher Inhaltstoffe. Auch der BUND Einkaufsführer gibt eine Orientierung. Leider bekommt der Verbraucher hier oft den Eindruck, dass Mikroplastik in so vielen Produkten enthalten ist, dass er es kaum vermeiden kann. Folgendes Siegel gibt Orientierung:

Tipp: Nutzen Sie Produkte von Naturkosmetikherstellern. Diese nutzen weder feste noch flüssige Kunststoffe. Das BDHI Prüfzeichen garantiert kontrollierte Naturkosmetik.

Mikroplastik in der Umwelt

Neben dem primären Mikroplastik aus Kosmetik, Wasch- und Reinigungs- oder Strahlmitteln wird weitaus mehr Mikroplastik durch zerfallendes Großplastik in die Umwelt eingebracht. Dieses sogenannte sekundäre Mikroplastik entsteht, wenn achtlos in der Umwelt zurückgelassene Plastikteile durch Sonne, Temperaturschwankungen und andere Einflüsse nach und nach zerlegt werden.

Mit der Online-Petition „Kein Plastikmüll in der Umwelt fordert der VSB eine Pflichtabgabe auf alle Kunststoffprodukte. Mit dieser Abgabe soll zum einen der Eintrag in die Umwelt drastisch reduziert, zum anderen bereits vorhandener Plastikmüll beseitigt werden. Unterstützen Sie uns mit Ihrer Stimme!

 

Quellen:

Bayerisches Landesamt für Umwelt: Mikroplastik in Gewässern
Umweltbundesamt: Mikroplastik in Kosmetika - was ist das?

Umweltbundesamt: Mikroplastik: Entwicklung eines Umweltbewertungskonzepts