Umwelt

04.11.2022

Nutzen statt Besitzen: umweltfreundliche Alternative zum Neukauf?

Ist es notwendig, jedes Produkt, das wir nutzen, auch zu besitzen? Wann ist es finanziell und ökologisch sinnvoller, Gegenstände zu leihen oder zu teilen, anstatt diese möglichst billig neu zu kaufen? Wir gehen der Frage nach, welche Formen der gemeinsamen Nutzung bestehen und ob diese automatisch umweltfreundlich sind.

Schätzungsweise 10.000 Gegenstände besitzt ein Mensch in Europa im Durchschnitt. Dinge gemeinsam zu nutzen, anstatt sie neu zu kaufen, kann Geld, Ressourcen und Platz sparen. Insbesondere bei seltenem Gebrauch und hohen Anschaffungskosten ist es finanziell sinnvoller, Dinge zu teilen, anstatt sie neu zu kaufen. Doch auch der Wunsch, Ressourcen zu schonen und Müll zu vermeiden, ist für viele Verbraucher*innen ein wichtiger Beweggrund. Ebenso spielt der soziale Austausch eine wichtige Rolle.

Der Begriff „Sharing-Economy“, auf Deutsch Wirtschaft des Teilens, umfasst verschiedene Ansätze, um Produkte und Dienstleistungen unentgeltlich oder gegen Gebühr gemeinschaftlich zu nutzen. Dies können Fahrzeuge, Konsumgüter, Wohnraum und Anbauflächen aber auch Dienstleistungen wie Reparaturen oder Mitfahrgelegenheiten sein. Der Austausch erfolgt sowohl zwischen Unternehmen und Privatpersonen als auch von Privat- zu Privatperson. Apps und Online-Portale spielen eine wichtige Rolle zur Vermittlung von einander unbekannten Personen.

Nutzen statt Besitzen: umweltfreundliche Alternative zum Neukauf?© juliabatsheva - stock.adobe.com

Tauschen und verschenken – in der Familie, im Freundeskreis und darüber hinaus

Kleider tauschen, bei Reparaturen helfen oder überschüssige Lebensmittel weitergeben: Was in der Familie oder im Freundeskreis wie selbstverständlich geschieht, wird auch über Organisationen vor Ort oder über Plattformen wie Tauschbörsen im Internet koordiniert.

Bei Initiativen wie Foodsharing und Repaircafés steht meist der Umweltgedanke im Vordergrund: Die Akteure wollen Lebensmittel und Gegenstände vor dem Wegwerfen retten und an Abnehmer vermitteln bzw. diese gemeinsam reparieren. Ziel ist zu vermeiden, dass Lebensmittel wegen ihres Aussehens oder kurzer Haltbarkeit im Müll landen und eine Reparatur aus Kostengründen nicht erfolgt.

Im Rahmen von so genannten Tauschringen, Freiwilligendiensten und vergleichbaren Initiativen hat jedes Mitglied die Möglichkeit, Waren oder Dienstleistungen anzubieten und in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel Reparaturen, Werkzeuge oder Kleidung. Die gegenseitige Verrechnung von Tauschleistungen regt ein ausgeglichenes Geben und Nehmen an. Der Tausch erfolgt gegen eine gewünschte Gegenleistung („Tausche XY gegen Z“) oder nach einer imaginären Währung (durch getauschte Güter oder Dienstleistungen erwerben die Teilnehmer*innen entsprechende Währungseinheiten). Auf diese Weise sind auch bei Online-Tauschbörsen Interaktionen mit unterschiedlichen Personen möglich.

Tauschparties bieten die Gelegenheit, in einem begrenzten Zeitraum bestimmte Dinge wie Kleidung, Bücher oder Geschirr zu tauschen. Eine dauerhafte Möglichkeit, gut erhaltene Gegenstände weiterzugeben, sind so genannte Umsonstläden. Hier geben und nehmen Verbraucher*innen unterschiedlichste Produkte entsprechend den festgelegten Bedingungen, wie beispielsweise eine Beschränkung der Anzahl und der Produktpalette. Ermöglicht werden die Läden meist durch Spenden und ehrenamtliches Engagement. Eine Übersicht über Umsonstläden in Deutschland findet sich auf der Internetseite alles-und-umsonst.de

Weniger aufwändig, aber nach demselben Prinzip, funktionieren öffentlich zugängliche Bücherschränke, Tauschregale oder Verschenk-Kisten: In alten Telefonzellen oder an anderen geschützten Stellen geben Verbraucher*innen Güter kostenlos und ohne jegliche Formalitäten weiter.

Wichtig: Umsonstläden, Tauschregale und Verschenk-Schränke leben vom persönlichen Engagement und gegenseitigen Miteinander. Sie können leicht zur kostenlosen Entsorgung missbraucht werden. Auch beim Tausch gilt es darauf zu achten, Dinge sinnvoll zu nutzen und unnötigen Warentransport zu vermeiden.

Teilen, leihen und mieten – nutzen statt besitzen

Es gibt unterschiedliche Wege, Gegenstände gemeinsam zu nutzen. Leihen hat Tradition und lohnt sich vor allem bei Gegenständen, die wir nur einmalig oder kurz nutzen. Leihen kostet in der Regel nichts, beispielsweise im Freundeskreis. In einem organisierten Rahmen ist jedoch gegebenenfalls eine Mitgliedschaft oder der Abschluss eines Abonnements erforderlich, während dessen Laufzeit die Möglichkeit besteht, eine festgelegte Anzahl an Gegenständen kostenlos auszuleihen. So bieten Büchereien ihren Mitgliedern Romane, Reiseführer, Kochbücher, Hörbücher sowie auch Filme und Spiele zum Verleih an. Bei manchen Angeboten reicht das Hinterlegen eines Pfands. So bietet der VerbraucherService Bayern gegen Kaution Strommessgeräte und Ausstellungen zum Verleih an.

Im Unterschied zum Leihen fällt beim Mieten eine Gebühr an, die sich stunden-, tage-, wochen- oder monatsweise berechnet. Teure Spezial-Werkzeuge, Bau- oder Gartengeräte können sowohl ausgeliehen, zum Beispiel bei Gartenbauvereinen, als auch gemietet werden. Mietwerkzeuge und -geräte bieten unter anderem Baumärkte an, es gibt aber auch Unternehmen, die sich vollständig auf Mietservices spezialisiert haben, wie beispielsweise für Maschinen, Fahrzeuge oder auch Kleidung. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Miete und Leihe insbesondere aus rechtlicher Sicht: Bei Leihe erfolgt die Nutzung unentgeltlich und der Entleiher haftet im Schadensfall.

Benötigen wir Produkte regelmäßig aber nicht durchgehend, gibt es die Möglichkeit, diese gemeinsam anzuschaffen und zu teilen. Genutzt wird dies in der Regel bei hochwertigen und langlebigen Gegenständen, wie beispielsweise Waschmaschinen in Mehrfamilienhäusern oder Autos in einer Wohngemeinschaft.

Teilen, leihen oder mieten – was ist bei Fahrzeugen sinnvoll? Hier haben sich verschiedene Alternativen etabliert. Mietfahrzeuge eignen sich insbesondere für Urlaub, Transport oder Umzug. Ebenso stehen in vielen größeren Städten E-Bikes, Lastenräder und Elektroroller zur Miete bereit. Wer ein Auto regelmäßig teilen möchte, kann dies sowohl privat im persönlichen Umfeld als auch über Plattformen, Vereine oder gewerbliche Träger tun. Peer-to-Peer-Carsharing bezeichnet das Mieten und Vermieten von Autos unter Privatpersonen, die über Online-Vermittlungsplattformen oder Apps Fahrzeuge anbieten bzw. suchen. Entsprechende Portale gibt es auch für Mitfahrgelegenheiten.

Tipp: Gewerbe, Verein oder private Initiative? Achten Sie immer darauf, wer der Anbieter ist und zu welchen Konditionen Sie Fahrzeuge und andere Güter nutzen. Oft sind Vermittlungsplattformen zwischengeschaltet, die eigene Nutzungsbestimmungen aufstellen und bei Vermittlung meist eine Gebühr erheben.

Secondhand als Alternative zum Neukauf

Niedrigstpreise verleiten zum schnellen Kauf. Vieles, was produziert wird, ist unnötig oder kommt bereits nach kurzer Zeit in den Müll. Dinge aus zweiter Hand zu beziehen, verlängert deren Nutzungsdauer und spart Ressourcen. Gebrauchte Gegenstände gibt es in Secondhandläden, auf Flohmärkten und Basaren. Eine schier unübersichtliche Auswahl ist zudem auf Online-Portalen zu finden.

Wichtig beim Online-Kauf: Achten Sie darauf, wer hinter dem Angebot steht. Gewerbliche Anbieter müssen eine 14-tägige Rückgabemöglichkeit und mindestens ein Jahr Gewährleistung geben. Bei Privatkäufen gibt es die Möglichkeit zum Widerruf nicht und die Gewährleistung ist gegebenenfalls ausgeschlossen.

Rechtliche Aspekte der gemeinsamen Nutzung

Die Möglichkeiten sind vielfältig, das Angebot riesig: Gewerbliche, gemeinnützige sowie private Anbieter bieten unterschiedlichste Produkte und Dienstleistungen sowohl vor Ort als auch im Internet zum Leihen, Tauschen oder Mieten an.

Die Hose hat bei der Rückgabe ein Loch, der Reifen vom Fahrradanhänger ist platt oder beim Übernachten ging etwas kaputt? Die geliehene Bohrmaschine war defekt und hat einen Schaden verursacht? Treten Mängel auf oder kommt es im Zuge der Nutzung zu Verletzungen, stellt sich die Frage, wer für Schäden haftet und für Reparaturen aufkommt.

Hier ist die Unterscheidung zwischen Verleih und Vermietung wichtig: Bei unentgeltlicher Leihe haftet der Entleiher. Zahlen Verbraucher*innen Geld für die Nutzung, handelt es sich um eine Vermietung. In diesem Fall haftet der Vermietende im Schadensfall und ist dafür verantwortlich, dass das Produkt vertragsgemäß funktioniert (siehe Übersicht Stiftung Warentest).

Achten Sie auf die Vertragskonditionen. Bei gewerblichen Angeboten (B2C / Business-to-Consumer) sind die Nutzungsbedingungen vertraglich geregelt. Wer eine Bohrmaschine oder ein Fahrzeug privat mit Freunden teilt, sollte klare Vereinbarungen treffen. Wichtig ist zudem, ob eine Vermittlungsplattform zwischengeschaltet ist. Bei letzterer kommen bei Buchung meist mehrere Verträge zustande: Ein Vertrag mit der Vermittlungsplattform und ein Vertrag mit dem Erbringer der Dienstleistung. Dies birgt Risiken, wenn es zu Problemen kommt (VSB-Digitalmagazin).

Sind Sharing-Alternativen automatisch gut für die Umwelt?

Wie umweltfreundlich Sharing-Angebote sind, hängt davon ab, ob sie Besitz ersetzen oder zum Mehrkonsum führen. Entscheidend ist immer das individuelle Nutzerverhalten.

  • Carsharing beispielsweise ist dann umweltfreundlicher, wenn es ein eigenes Auto ersetzt und umweltfreundliche Mobilität fördert. Wenn es dazu verleitet, in fremden Städten mit einem gemieteten Fahrzeug, statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, ist der Effekt gegenläufig.
  • Bei Streamingdiensten wie Netflix haben Mitglieder die Möglichkeit, Filme beliebig oft und rund um die Uhr anzuschauen. Der leichte Zugang verleitet möglicherweise zum Mehrkonsum.
  • Günstige Privatunterkünfte durch Vermittlungsplattformen führen gegebenenfalls zu mehr Reisen. Zudem hat die steigende Nachfrage nach Privatwohnungen für touristische Zwecke in manchen Großstädten zu einer Verknappung von Mietraum und steigenden Mieten geführt.
  • Tauschaktionen und Secondhand-Kauf erfordern den Transport von Waren und erzeugen damit Verkehr und ggf. Verpackungsmüll. Waren zu verschicken oder mit dem Auto zu transportieren, lohnt sich, wenn diese wirklich genutzt werden.

Auch Sharing-Angebote sind kein Freibrief zum unbeschwerten Konsum und nur dann sinnvoll, wenn die Güter gezielt zum Einsatz kommen. Generell gilt es, Fehlkäufe zu vermeiden und die Gebrauchsdauer zu verlängern. Wer gerne regelmäßig seine Garderobe wechselt oder ein bestimmtes Outfit für einen besonderen Anlass sucht, kann sich Kleidungsstücke mieten, leihen oder tauschen. Umgekehrt besteht auch die Möglichkeit, nachhaltig produzierte oder gebrauchte Kleidung zu erwerben und diese möglichst lange zu tragen. Nachhaltiger Konsum beinhaltet immer verschiedene Möglichkeiten. Welchen Weg Sie wählen, ist auch eine Frage der persönlichen Vorlieben. 

Quellen und weiterführende Infos

ARD-Mediathek: Sharing-Economy – Teilen statt besitzen

BR: Online-Shopping: Fake-Bewertungen erkennen

IÖW Institut für ökologisches Wirtschaften (Projektleitung): PeerSharing

Stiftung Warentest (2014): Share Economy – Leihen statt kaufen

Utopia (2017): Das große Teilen: Wie nachhaltig ist die Sharing Economy wirklich?

vzbv (2015): Infografik Sharing Economy

vzbv: Sharing-Angebote: Große Bekanntheit, geringe Nutzung